(Berndt Waltje) Am 27. Januar jährte sich die Befreiung der Konzentrationslager Auschwitz durch die sowjetische Armee zum 70. Mal. Von den mehr als 5,6 Mio Opfern des Holocaust wurden etwa 1,1 Mio Menschen, darunter eine Mio Juden, hier ermordet. Dadurch wurde Auschwitz zum Symbol der Shoa und der 27. Januar zum internationalen Gedenktag der Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus. Das Antikriegshaus nimmt diesen Tag jedes Jahr zum Anlass, eine Veranstaltung zu den Themen Shoa, Erinnerungsarbeit oder Antisemitismus durchzuführen.
Dieses Jahr war Alfred Weese zu Gast, Dozent an der VHS Emden, der in Lehrte mit Schülern des Schulzentrums Süd die Geschichte von Zwangsarbeitern in Lehrte aufgearbeitet hat. Er stellte sehr anschaulich in Wort, Ton und Bild die Biographie von Peter Schilling vor, einem Wehrmachts-Deserteur aus der Mark Brandenburg. Geboren 1923, wuchs Schilling in einer Pfarrersfamilie auf und lebte eine recht normale Jugend. Aufmüpfig war er allerdings schon früh. Wie viele Jugendliche jener Zeit ließ er sich vom Krieg faszinieren und meldete sich trotz anfänglicher Gegenwehr der Eltern freiwillig zur Wehrmacht. Doch schon nach einem Jahr, in dem er in verschiedenen Einsätzen ethnische Säuberungen, Hungertote und Misshandlungen von Juden erlebte, reifte in einem Lazarett in ihm der Entschluss zu desertieren. Von Berlin fuhr er mit einem Fronturlauber-Zug nach Mühlhausen und konnte sich mit viel Glück und einer Portion Frechheit in die Schweiz absetzen, wo er als Deutscher interniert, aber gut behandelt wurde. Jung und abenteuerlustig, wie er war, wartete er aber nicht das Ende des Krieges ab, sondern ging mit einem Freund nach Frankreich, wo sie sich dem Widerstand anschließen wollten. Doch wurden sie schon vorher verraten, verhaftet und an die Gestapo ausgeliefert. In Deutschland gab es zu der Zeit schon ein Todesurteil gegen ihn wegen Desertion, das allerdings durch das Wirken eines Anwalts in 3 Jahre Haft umgewandelt wurde. 1944 floh er erneut, diesmal in Richtung Tschechoslowakei, wo er – untergetaucht – das Kriegsende erlebte.
Peter Schilling wurde nach dem Krieg Journalist und Pädagoge und hat bis zu seinem Tod im Alter von 85 Jahres in Bildungsstätten von seinen Erfahrungen berichtet. Dabei hat ihn Alfred Weese kennen- und schätzen gelernt. Er sei ein sehr positiv gestimmter Mensch gewesen, dessen Wahlspruch war: „passt auf und seid wachsam“.
Alfred Weese und auch Gisela Fähndrich vom Antikriegshaus wiesen darauf hin, dass Deserteure – auch jene, die sich einem verbrecherischen Regime entzogen - bis in die heutige Zeit von vielen Menschen als Verräter angesehen werden. Erst 2002 unter der rot-grünen Regierung hat der Bundestag die Urteile der NS-Militärgerichte gegen Deserteure der Wehrmacht pauschal aufgehoben. Insgesamt sind etwas 350.000 bis 400.000 Soldaten der Wehrmacht desertiert, das macht bei rund 18 Mio Soldaten eine Desertionsquote von rund 2%. Rund 23.000 haben die Desertion mit ihrem Leben bezahlt.
Gisela Fähndrich, Präsidentin des Antikriegshauses zog anschließend eine Verbindungslinie zur derzeitigen Ausstellung „Die Apokalypse unserer Zeit“ des belgischen Grafikers Frans Masereel, dessen düstere Zeichnungen seine Eindrücke vom Überfall der Wehrmacht auf seine Nachbarn Frankreich, Belgien und Niederland wiedergeben.
Von Katja Eggers Lehrte. Mit ihrem Projekt „N.E.I.N – Nazis Existieren Immer Noch“ haben Zehntklässler des Lehrter Gymnasiums zwar keinen Preis beim Wettbewerb der Bundeszentrale für politische Bildung gewonnen, das Ergebnis ist aber dennoch aller Ehren wert. Denn die Schüler haben zum Thema Rechtsextremismus im Sommer nicht nur selber einen Film gedreht und eine Ausstellung organisiert, sondern auch Armbändchen mit dem Schriftzug ihres Projektes zum Verkauf erstellt. Der Erlös von 138 Euro geht nun an das Antikriegshaus Sievershausen und soll dort Jugendgruppenprojekten zugutekommen. Die Stadtwerke Lehrte haben zu der Summe noch 500 Euro dazugegeben. „Wir fanden das Projekt sehr gut und wichtig“, sagte Björn Rust von den Stadtwerken. Mit dem Projekt haben die Schüler des Gymnasiums ein klares Statement gegen Rechtsextremismus gesetzt und ihre Mitschüler motiviert, demokratische Haltung zu zeigen, etwa wenn ein ausländischer Freund angepöbelt wird oder rechtsradikale Texte auf der Straße verteilt werden. „Das Projekt verdient große Anerkennung“, sagte Bernd Woltje vom Antikriegshaus. Fachlehrer André Bien vom Gymnasium lobte seine Schüler zudem für ihr Engagement. „Das Projekt wurde nicht etwa im Unterricht umgesetzt, sondern in der Freizeit der Jugendlichen“, betonte er.