Eine Schlacht für den Frieden?
Die Schlacht von Sievershausen und das Ringen um den Religions- und Landfrieden im Reformationsjahrhundert
Vortrag von Prof. Dr. Christoph Emmelius gehalten am 9. September im Antikriegshaus Sievershausen
Einleitung
Sehr geehrte Damen und Herren!
Zur Einleitung möchte ich heute von Pastor Klaus Rauterberg erzählen. Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten Besuch mit Studierenden der Ev. Fachhochschule hier in Sievershausen. Klaus Rauterberg empfing und führte uns. Er erzählte damals auch von sich: dass er schon als Schüler und als Student und vollends als Pfarrer in dem kleinen Dorf XXX nahe der Grenze zur DDR in der Friedensarbeit aktiv gewesen sei. Hier in Sievershausen, wohin er 1966 kam, habe er dann einen mächtigen zusätzlichen Impuls für sein Friedensengagement erhalten: durch die Schlacht von 1553. Die Schlacht und die Erinnerung daran sei ja hier unübersehbar gewesen, nicht nur durch das große Tafelbild im Turm-Raum der Kirche, sondern auch z.B. durch regelmäßige Besuche der Bundeswehr mit Offiziersanwärtern, die sich hier die Abläufe der Schlacht erklären ließen. Die Erinnerung an die Schlacht von Sievershausen, habe ihn vor die Frage gestellt: Was ist eigentlich die Aufgabe der Kirche bei der Erinnerung an die blutige Schlacht? Der Kontrast zu dieser Schlacht, der Impuls, ihr eine christliche Antithese entgegenzustellen, habe ihn damals zusätzlich zu der Friedensarbeit hier angetrieben. Einen unmittelbaren optischen Eindruck dieses Impulses finden Sie bis heute im Turm-Raum der Kirche: Direkt neben dem Tafelbild von der Schlacht und nicht weniger groß hat Rauterberg das Friedensgebet des Franz von Assisi aufgehängt.
Es liegt mir fern, Klaus Rauterberg zu widersprechen oder ihn zu korrigieren. Die christliche Gemeinde hat in der Tat ihre eigene spezielle Aufgabe im Blick auf eine Schlacht und den Krieg überhaupt. Ich möchte seine damalige Sicht nur ergänzen. Meine These, zu der ich Sie heute Abend einlade, oder vorsichtiger: die Frage, die ich heute stellen möchte, lautet: Lässt sich die blutige Schlacht von Sievershausen selbst bereits als ein Versuch, zum Frieden zu kommen, verstehen? War die Schlacht, wenigstens auch, eine Schlacht für den Frieden? Dieser Frage möchte ich heute nachgehen und dafür bitte ich Sie für die nächste gute Stunde um Geduld.
In der historischen Rückschau auf die Schlacht ist es zunächst hilfreich, zwei Zusammenhänge voneinander zu unterscheiden:
Regionalpolitisch steht die Schlacht im Zusammenhang von Konflikten des Herzogs Heinrich d. J. von BS-Wolfenbüttel: einerseits mit dem seit 1491 abgetrennten ebenfalls welfischen Herzogtum Calenberg, andererseits mit der zu BS-Wolfenbüttel gehörenden Stadt BS sowie mit den Adligen seines eigenen Territoriums. Dies aufzuzeigen, wäre ein eigenes Thema.
Davon zu unterscheiden ist der reichspolitische Zusammenhang. Hier steht die Schlacht von Sievershausen im Kontext der Bemühungen um den Religions- und Landfrieden im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation. Auf diesen Aspekt werde ich mich heute konzentrieren.
- Der Ausgangspunkt: Die dogmatische Unversöhnlichkeit auf Seiten der Lutheraner und der Papstkirche
Das zentrale Ereignis, das den Religionsfrieden im 16. Jahrhundert nicht nur bedrohte, sondern fundamental aufhob, war die Reformation Martin Luthers. Hier haben wir anzusetzen. Wir haben uns die dogmatische Unversöhnlichkeit auf beiden Seiten vor Augen zu führen.
Das Reformationsgeschehen im 16. Jahrhundert beginnt Ende Oktober 1517 mit Luthers 95 Thesen zum Ablasswesen. In der Auseinandersetzung, die sich daran anschließt, setzt Luther zunächst noch auf eine Reformfähigkeit der Papstkirche. Seine Erläuterungsschrift zu den 95 Thesen[1] schickt er an seinen Beichtvater Staupitz mit der Bemerkung: „Ich erwarte Christus als Richter, der durch den römischen Stuhl seinen Spruch fällt.“[2] Auch die Reformschrift „An den christlichen Adel“ geht noch mit einer Widmung und Anrede an den Papst heraus. Gleichzeitig wächst in Luther aber die Überzeugung, dass die Papstkirche reformunwillig ist. Er bestreitet, dass das Papsttum im göttlichen Recht begründet sei und bezeichnet es als schlichte menschliche Anmaßung. Am 18. August 1520 schreibt er an Johann Lang in Erfurt: „Wir sind hier <sc. in Wittenberg> der Überzeugung, daß das Papsttum der Sitz des wahren und leibhaftigen Antichrist ist, gegen dessen Betrug und Bosheit uns um des Heils der Seelen willen unserer Meinung nach alles erlaubt ist.“[3] Dieses briefliche Urteil wurde am Ende des Jahres 1520 demonstrativ öffentlich bestätigt: Vor den Toren der Stadt Wittenberg, auf dem Gelände des Schindangers, verbrannte Luther, von Studenten begleitet, u.a. mehrere Ausgaben des kirchlichen Rechts und einen Druck der päpstlichen Bann-Androhungsbulle, also das rechtliche Instrumentarium der päpstlichen Amtsführung und die öffentliche Verkündigung des päpstlichen Urteils in seiner eigenen Prozessangelegenheit. Unmissverständlicher konnte man sich von der Papstkirche nicht lossagen.[4]
Dass der Papst die Verkörperung des Antichrists sei, war ein Urteil, das Luther sein ganzes Leben hindurch beibehielt. Noch im Jahr vor seinem Tod (1545) veröffentlichte er eine Streitschrift unter dem Titel „Wider das Papsttum zu Rom vom Teufel gestiftet.“ In dieser Sicht auf den Papst stecken zwei Momente. Zum einem: Der Papst ist die Verkörperung des Bösen. Sein Wirken zielt nicht auf das Heil der Menschen, sondern auf ihre ewige Verdammnis. Ihm muss man mit aller Konsequenz entgegentreten.[5] Ein Nachgeben um des weltlichen Friedens willen muss ausgeschlossen sein.[6] Zum anderen: ‚Antichrist‘ ist in Luthers Denken nicht ein beliebiger Mensch, der den christlichen Glauben ablehnt. Der ‚Antichrist‘ ist vielmehr der für die Zeit des Weltendes biblisch angekündigte Gegenspieler Christi. Sein Auftreten und der Kampf gegen ihn sind Elemente des Endkampfes vor dem Jüngsten Tag. In diesem Endkampf kommt es Luther und den Seinen zu, die Sache Christi kompromisslos zu verteidigen.
Die Papstkirche auf der anderen Seite reagierte nicht weniger scharf. Gestützt auf das Protokoll der Diskussion zwischen Luther und Eck sprachen schon 1519 die theologischen Fakultäten Löwen und Köln das Häresieurteil über Luther aus. Am 1. Juni 1520 folgte das römische Häresieurteil. Die den Kirchenbann androhende päpstliche Bulle Exsurge Domine listete 41 Irrtümer Luthers auf und verlangte den Widerruf binnen 60 Tagen. Luther widerrief nicht. Mit der Bannbulle vom 3. Januar 1521 (Decet Romanum Pontificem) wurde er daraufhin exkommuniziert. Luther galt der römischen Kirche fortan als Ketzer mit allen religiösen und rechtlichen Folgen im deutschen Reich.
An dieser fundamentalen Frontstellung änderte sich im 16. Jahrhundert nichts. Luther war für die Papstkirche ein Ketzer; die Papstkirche war für Luther und seine Anhänger die Kirche des Antichrist. Der Religionsfriede war damit fundamental zerbrochen.
2 Verschiedene Strategien im Ringen um den Landfrieden und den Religionsfrieden vom Beginn der lutherischen Reformation bis zum Passauer Vertrag (1517 – 1552)
Es zeichnen sich im 16. Jahrhundert mehrere Friedensstrategien ab. Ich will diese im Folgenden kurz kennzeichnen.
2.1 Die Strategie der wechselseitigen Vernichtung
Schon die dogmatische Unversöhnlichkeit enthielt eine Friedensvision.: Frieden kann bei dieser Frontstellung nur hergestellt werden, wenn der Ketzer mundtot gemacht oder wie Jan Hus hingerichtet wird oder wenn die Papstkirche sich radikal wandelt und sich insgesamt der lutherischen Lehre anschließt. Der Reformationshistoriker Heinz Schilling hat Recht, wenn er urteilt, dass die seit dem 31. Oktober 1517 aufgekommenen innerchristlichen Glaubensgegensätze „auf beiden Seiten einen fundamentalen Vernichtungswillen erzeugten“ (1517, S. 187). Die erste Strategie, den Religionsfrieden herzustellen, war also die Strategie wechselseitiger theologischer, im Extremfall auch physischer Vernichtung.
2.2 Die Strategie der staatlichen Zwangsmaßnahmen und jeweils befristeter staatlicher Zurückhaltung
Nach dem Reichsrecht zog der päpstliche Bann unvermeidlich die Reichsacht nach sich. Weil Luther auf dem Reichstag zu Worms 1521 den Widerruf verweigert hatte, musste Karl V. die Reichsacht über Luther verhängen. Sie trat am 26. Mai 1521 in Kraft. Damit waren die Lektüre und die Verbreitung der Schriften Luthers staatlich verboten; Luther selbst durfte von niemandem beherbergt werden; jedermann, der seiner habhaft wurde, musste ihn nach Rom ausliefern oder konnte sich selbst an seinem Leib und Leben vergreifen.
Die Reichsacht gegen Luther war für Karl V. nicht nur ein formeller Akt. Karl verfolgte vielmehr eine eigene politische Vision. Sie war nicht weniger innerlich verankert als diejenige Luthers. Luther sah das Heil der Christenheit in der Destruktion der Papstkirche. Karl V. dagegen wollte das abendländische Kaisertum erneuern und war der Überzeugung, dass dies nur auf dem Boden der päpstlichen Universalkirche gelingen könnte. Das universelle Kaisertum musste nach seiner Ansicht auf einer ungeteilten, einigen Universalkirche aufgebaut werden. In diesem Sinne sah sich Karl als Verteidiger des katholischen Glaubens und der katholischen Kirche. Für Karl war Luthers Lehre eine deutsche Pest und im Kampf gegen diese Pest wusste er – genau wie auf der anderen Seite auch Luther – Gott auf seiner Seite.[7]
Luther und seine Anhänger hätten gegen das Reich und gegen die Visionen des Kaisers keine Chancen gehabt, wenn nicht die politischen Verhältnisse immer wieder die staatliche Seite zu Pragmatismus und zu Kompromissen gezwungen hätten. Im Kampf gegen die Türken und in der Konkurrenz zu Frankreich waren Kaiser und Reich immer wieder auf die Unterstützung auch der lutherischen Fürsten angewiesen. Und es gab immer wieder Juristen, die Wege fanden, die kompromisslose Durchsetzung staatlicher Prinzipien zu umgehen. Dazu zwei Beispiele.
Bei der Durchsetzung des Wormser Edikts ließ der Kaiser, der Luthers Landesherrn Friedrich den Weisen als Partner in der Reichspolitik brauchte, seine Juristen mit dem sächsischen Hof ein kluges Arrangement ausarbeiten. Weil ein Reichsgesetz nur dort galt, wo es publiziert wurde, verzichtete man einfach darauf, das Wormser Edikt in Luthers Heimatterritorium zu schicken. Mithin galt Luther dort nicht als geächtet, es galt nicht die Verfolgungspflicht. „So war es dem Augustiner fortan unbenommen, ungeachtet seiner im übrigen Reich fortbestehenden Ächtung in der Residenzstadt Wittenberg wie im ernestinischen Sachsen allgemein öffentlich aufzutreten und die reformatorische Umgestaltung der kursächsischen Landeskirche in eigene Hände zu nehmen.“[8] Schilling schreibt: „Ein beeindruckender Beweis für den Pragmatismus frühneuzeitlicher Politik“[9].
Zweites Beispiel: Unter dem Druck, mit vereinten Kräften den Türken entgegentreten zu müssen, kam Erzherzog Ferdinand, der seinen Bruder Karl auf dem Reichstag zu Speyer 1526 vertrat, den Lutheranern weit entgegen: Er sah von der strikten Durchführung des Wormser Edikts ab und gestand den einzelnen Territorien des Reichs zu, „für sich also zu leben, zu regieren und zu halten, wie ein jeder solches gegen Gott und kaiserliche Majestät hoffet und vertrauet zu verantworten.“ Diese Regelung kam einem Toleranzbeschluss gleich und hätte der Ansatzpunkt für ein grundsätzliches Nebeneinander der getrennten Konfessionen sein können. Aber über ihr drohte beständig das Damoklesschwert einer strengeren kaiserlichen Politik und sie war deswegen auch nicht von Dauer. Knapp drei Jahre später, auf einem erneuten Reichstag in Speyer im Frühjahr 1529, wurde die Toleranzregelung des Jahres 1526 schlicht zurückgenommen. [10] Im Kern galt wieder die strenge Regelung des Wormser Edikts.
Aus der Sicht des Reichs hatte die lutherische Religion keine Existenzberechtigung. Unter diesem Druck schuf der Pragmatismus nur eine Atempause, aber keinen wirklichen Religionsfrieden.
2.3 Die humanistische Reaktion auf die Religionsspaltung und die Suche nach einer Einigungsformel
Ein dritter Weg zum Religionsfrieden bestand in der Suche nach einer inhaltlichen Einigungsformel. Es gab Männer auf beiden Seiten, die aus dem Humanismus hervorgegangen waren und von Erasmus von Rotterdam gelernt hatten. Sie fanden sich mit der wechselseitigen Vernichtungsabsicht und dem ständigen staatlichen Verfolgungsdruck, der auf den Lutheranern lastete, nicht ab und suchten nach einer inhaltlichen Verständigung. Auf lutherischer Seite ist hier Melanchthon zu nennen, auf staatlicher Seite der Großkanzler Karls V., Mercurino Gattinara.
In der von Gattinara verantworteten Einladung zum Augsburger Reichstag im Jahre1530 klang ein versöhnlicher Ton an. Es war davon die Rede, auf dem Reichstag „ains yeglichen gutbeduncken: opinion und maynung … in liebe und gutligkait zuhoren“ und „zu ainer ainigen Christlichen warhait“ zu vergleichen. Der Ausschreibungstext fügte hinzu: „Und wie wir alle unter ainem Christo sein und streiten“, so komme es darauf an, „in einer gemeinschaftlichen kirchen und ainigkait zu leben.“[11] Zu diesem versöhnlichen Ton stimmte auch die Überlegung, Erasmus zum Reichstag einzuladen und dabei auf seine Vermittlung zu setzen.
Gattinara starb jedoch am 5. Juni 1530, noch vor Beginn des Reichstags. Er übte auf die Verhandlungen keinen Einfluss mehr aus. Karl V. geriet offenkundig unter ganz andere Einflüsse und der Reichstag nahm denn auch einen ganz anderen Verlauf. Gleich nach seinem Einzug in Augsburg verbot der Kaiser dort alle evangelischen Predigten. Er befahl allen Reichsständen, auch den evangelischen, die Teilnahme an der Fronleichnamsprozession des nächsten Tages. Das von Melanchthon verfasste Bekenntnis der evangelischen Reichsstände, das sog. Augsburger Bekenntnis, wurde dem Kaiser am 25. Juni 1530 zwar überreicht und öffentlich verlesen. Aber eine katholische Gegenschrift wurde ebenfalls verlesen und mit ihr war für Karl das letzte Wort gesprochen. Seiner Meinung nach stand das Bekenntnis der Protestanten weder auf dem Boden der Reichskirche noch auf dem Boden des Reichsrechts. Statt des ursprünglich angestrebten Vergleichs standen sich die Protestanten auf der einen, die Papstkirche zusammen mit dem Kaiser auf der anderen Seite genauso unversöhnlich gegenüber wie zuvor. In dem Reichstagsabschied vom 19. 11. 1530 wurde das Wormser Edikt von 1521 wieder in Kraft gesetzt. [12]
Wie der Reichstag zu Augsburg 1530 so führten auch die Religionsgespräche, die in den 30er und 40er Jahren im friedliebenden Geist des Erasmus stattfanden, zu keinem nachhaltigen Ergebnis. Man suchte auf diesen Religionsgesprächen ernsthaft eine Basis für die Wiedergewinnung der Einheit der Religion. Vom Standpunkt Luthers und vom Standpunkt der papsttreuen Theologen wie Eck und Cochläus war dies freilich von vornherein ein Versuch der Unmöglichkeit.[13] Der Augsburger Reichstag scheiterte am Widerstand Karls V., die Unionsversuche scheiterten am Widerstand der unversöhnlichen Theologen auf beiden Seiten.
2.4 Konfessionelle Bündnisse und militärische Gewalt
Nach dieser vierten Strategie wurde versucht, die religiösen Streitfragen auf dem Wege einer militärischen Auseinandersetzung zu lösen. Dabei ist freilich unverkennbar, dass in dieser Konfliktaustragung neben den religiösen Fragen immer auch politische Fragen und Machtansprüche eine Rolle spielten.
Es sind hier nicht alle Spielarten der militärischen Konfliktlösung darzustellen.[14] Zentral in diesem Problemfeld sind der Schmalkaldische Bund evangelischer Reichsstände auf der einen, die katholische Liga und der Kaiser auf der anderen Seite und die Auseinandersetzungen, in die sie verwickelt waren.
Nach dem für die Protestanten ungünstigen Ausgang der Reichstage zu Speyer 1529 und zu Augsburg 1530 wurde das Wormser Edikt in seiner Härte restituiert und eine militärische Exekution dieses Edikts gegen die protestantischen Reichsstände stand als realistische Gefahr am Horizont. Dagegen, d.h. zur Verteidigung der evangelischen Reichsstände, bildete sich um die Jahreswende 1530/31 der defensiv ausgerichtete Schmalkaldische Bund. Die prominentesten Gründungsmitglieder dieses Bundes waren: der Landgraf Philipp von Hessen und Luthers Landesherr, der Kurfürst Herzog Johann der Beständige von Sachsen.[15]
Zu einem heißen militärischen Konflikt kam es in der Folgezeit zweimal: Zunächst in kleinem Maßstab in der sog. Braunschweiger Fehde in den Jahren 1542 – 1545, einem Krieg des schmalkaldischen Bundes gegen den Herzog Heinrich d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel, dann im großen Maßstab im sog. Schmalkaldischen Krieg. Der schmalkaldische Krieg endete 1547 mit der Schlacht bei Mühlberg /Elbe für die Protestanten desaströs[16]. Der Friedensschluss brachte den protestantischen Reichsständen empfindliche Verluste und Auflagen[17], vor allem aber wurde im Reich das sog. Augsburger Interim eingeführt. Es bestimmte, dass in den katholischen Territorien alles beim Alten bleiben sollte. Die protestantischen Territorien sollten umgestaltet werden. Dabei entsprachen die theologischen Grundlagen im Wesentlichen der katholischen Lehre. In den praktischen kirchlichen Regelungen gab es nur drei Zugeständnisse an die Protestanten: Laienkelch; Abschaffung der Privatmesse; Anerkennung der Ehe verheirateter Priester. Im Übrigen sollte die Kultordnung der römischen Kirche wiederhergestellt werden, also Festkalender, Fastenbräuche, Prozessionen, Segnung des Taufwassers, Heiligenverehrung, rituelle Gewänder u. dgl. Insgesamt ist das Urteil berechtigt, dass das Interim eine energische Rekatholisierung der protestantischen Territorien verfügte. Von den protestantischen Reichsständen wurde es jedenfalls so wahrgenommen.
Nach dem Sieg über den Schmalkaldischen Bund und mit dem Erlass des Augsburger Interim stand der Kaiser auf dem Gipfel seiner Macht. Allerdings: Die Versuche, das Augsburger Interim flächendeckend im Reich durchzusetzen, waren mehr als mühsam. In Norddeutschland scheiterten sie fast vollkommen. Es zeigte sich: die Kircheneinheit im Reich war auf diesem Wege nicht wiederherzustellen. Der militärische Sieg des Kaisers bei Mühlberg war glänzend gewesen, aber die Kircheneinheit im Reich war auch auf diesem Wege offenkundig nicht wieder zu gewinnen.
2.5 Die neue Strategie des Passauer Vertrags: Politischer Friede trotz andauernder religiöser und kirchlicher Uneinigkeit
Die Durchsetzung einer neuen Strategie im Umgang mit der Glaubens- und Kirchenspaltung begann erneut mit einer militärischen Auseinandersetzung. In der Geschichtsschreibung des Reformationsjahrhunderts wird diese unter dem Namen des „Fürstenaufstands“ abgehandelt.
2.5.1 Der Fürstenaufstand
Moritz von Sachsen, der wegen seiner Beteiligung am Schmalkaldischen Krieg auf Seiten des Kaisers dem evangelischen Lager als Verräter galt, wechselte erneut die Front. Er hatte einige der Ziele seines Bündnisses mit dem Kaiser erreicht. Aber ihn erschreckte die Art und Weise, wie der Kaiser durch das Augsburger Interim seine Macht auch auf religiösem Gebiet zur Geltung brachte.
Darin lag die Ursache für den erneuten Parteiwechsel des Moritz, diesmal zur Opposition gegen den Kaiser. Zusammen mit einigen protestantischen Fürsten, auch mit Albrecht Alkibiades von Brandenburg-Kulmbach, unternahm Moritz den sog. Fürstenaufstand gegen den Kaiser. Der Kaiser wurde militärisch in die Flucht geschlagen und Moritz erzwang Verhandlungen, die im Auftrag des Kaisers sein Bruder Ferdinand führte. Auf der Basis des Siegs der Fürsten konnte Moritz diese Friedensverhandlungen in Passau mit dem erwünschten Gewicht beginnen und auch erfolgreich durchführen.
2.4.2 Der Passauer Vertrag von 1552
In Passau waren zahlreiche Stände des Reichs vertreten: Kurfürsten, geistliche Fürsten, weltliche Fürsten. König Ferdinand und Kurfürst Moritz waren die entscheidenden Akteure. König Ferdinand war mit Vollmachten des Kaisers ausgestattet und nahm die Rolle eines Vermittlers zwischen dem Kaiser und den Fürsten wahr. Er war an einem Kompromiss interessiert, weil er nur so wirksame Hilfe von den evangelischen Reichsständen gegen die Türken erwarten konnte. Moritz, der Hauptunterhändler der Protestanten, war an einer Friedensregelung interessiert, weil nur so die evangelischen Reichsstände gesichert und seine eigene Position als sächsischer Kurfürst erhalten werden konnten.[18] Ferdinand und Moritz konnten sich in ihren Verhandlungen schnell einigen. Sie handelten die sog. Passauer Abrede miteinander aus. Für Ferdinand war es schwierig, die Zustimmung des Kaisers, für Moritz, die Zustimmung der verbündeten evangelischen Stände zu gewinnen. Moritz hatte dabei Erfolg[19], Ferdinand dagegen musste Änderungen durch den Kaiser hinnehmen. Die wichtigste Änderung, die der Kaiser erzwang, bestand in der Befristung der abgesprochenen Friedensregelung bis zum nächsten Reichstag.[20] Der Kaiser selbst hielt eben immer noch an der Vision einer Wiederherstellung der Religionseinheit im Reich fest und hoffte, dass der bald einzuberufende Reichstag hierzu einen Weg finden würde.[21]
Der Passauer Vertrag wurde am 15. August 1552 ratifiziert. Er war in erster Linie das Werk der Juristen, nicht der Theologen. Was den Passauer Vertrag zu einem schlechthin epochemachenden Ereignis macht, war die Behandlung der Religionsfrage.[22] Die Religionsspaltung wurde als einstweilen unlösbar eingeschätzt. Aber: An ihr sollte in Zukunft der Friede zwischen den Reichsständen nicht mehr scheitern. Kein Reichsstand, auch der Kaiser nicht, sollte hinfort einen anderen wegen Fragen der Religion mit Gewalt überziehen. Es wurde ein Friede vereinbart, der trotz religiöser Differenz, der bei gleichzeitig fortbestehender religiöser Uneinigkeit Bestand haben sollte. Friede trotz bestehender religiöser Uneinigkeit sollte möglich und in Zukunft wirklich sein.[23] Die vom Kaiser erzwungene Befristung blieb praktisch ohne Wirkung, weil der Augsburger Religionsfriede, der auf dem nächsten Reichstag 1555 ausgehandelt wurde, die Friedensregelung des Passauer Vertrags de facto übernahm, ebenso wie übrigens auch der westfälische Friede nach dem 30jährigen Krieg. „Die Einschränkungen Karls V. konnten schließlich nichts daran ändern, dass der Weg zu einer bikonfessionellen Reichsordnung beschritten wurde und die Vorstellung der kirchlichen Einheit als Voraussetzung jeder rechtlichen <Friedens>Regelung aufgegeben wurde. Einem vertraglich fixierten Frieden wurde höheres Gewicht beigemessen."
Wichtig ist noch: Die Friedensvereinbarung galt als eine Sache der Reichsstände. In Streitfragen sollte das Reichskammergericht entscheiden, das konfessionell paritätisch besetzt wurde.
Die beiden epochemachenden Paragraphen des Passauer Vertrags möchte ich im Wortlaut vorlesen[24]:
- 8: Und in der Zwischenzeit <sc. bis zu dem besagten allgemeinen Reichstag> sollen „weder die Kaiserliche Majestät, Wir noch Kurfürsten, Fürsten und Stände des Heiligen Reiches keinen Stand der Augsburgischen Konfession verwandt der Religion halben mit der Tat gewaltiger Weise oder auf andere Weise wider sein Gewissen und Willen dringen oder derhalben überziehen, beschädigen, durch Mandat oder einige andere Gestalt beschweren oder verachten, sondern bei solcher seiner Religion und Glauben ruhiglich und friedlich bleiben lassen.“
- 9: „Es sollen auch alle anderen Stände – der Augsburgischen Konfession Verwandte – die andern des Heiligen Reichs Stände, so der alten Religion anhängig, geistlich oder weltlich, gleicher Gestalt in ihrer Religion, Kirchengebräuchen, Ordnung und Zeremonien, auch in ihren Hab, Güter, liegend oder fahrend, Landen, Leuten, Renten Zinsen, Gülten, Ober- und Gerechtigkeit halben unbeschwert und sie derselben friedlich und ruhiglich gebrauchen und genießen lassen, auch mit der Tat oder sonst in Ungutem gegen dieselben nichts fürnehmen, sondern sich wechselseitig mit den Rechten, Ordnungen, Abschieden und errichteten Landfrieden des Heiligen Reichs begnügen, alles unter Vermeidung der Strafen aus dem jüngst erneuerten Landfrieden.“
Der Passauer Vertrag war ein Sieg der Pragmatiker[25] oder der Juristen, nicht der Theologen. Moritz von Sachsen und König Ferdinand konnten nach der Erfahrungen der vergangenen 30 Jahre ermessen, dass es auf andere Weise nicht möglich sein würde, den Landfrieden innerhalb des deutschen Reichs aufzurichten bzw. zu erhalten. Freilich: Die Vision einer Beseitigung oder wenigstens Umgestaltung der Papstkirche war damit ebenso gescheitert wie die Einheitsvision Karls V. – auch wenn noch einmal der Religionsvergleich als Thema des kommenden Reichstags beschworen wurde. Karl selbst konnte daher dem Vertrag nur gedrängt, nicht aus eigener Überzeugung zustimmen. Heinz Schilling urteilt mit Recht: „In der Reichspolitik war endgültig die Zeit <seines Bruders und Nachfolgers> Ferdinand angebrochen.“[26]
3 Der historische Ort und der historische Ertrag der Schlacht von Sievershausen am 9. Juli 1553
3.1 Bemühungen zur Durchsetzung des Passauer Vertrags
Die reichspolitische Situation nach dem Abschluss des Passauer Vertrages am 15. August 1552 stellt sich etwa wie folgt dar:
Kurfürst Moritz und König Ferdinand, die beiden Vorkämpfer und Hauptverhandlungsführer des Vertrags, hatten ein Vertrauensverhältnis zueinander entwickelt. Ihre Interessen konvergierten in der Aufrechterhaltung und strikten Befolgung des Vertrags.[27] Darüber hinaus war allgemein das Interesse an einer Friedenssicherung unter den Reichsfürsten groß. Freilich: Markgraf Albrecht, der im Fürstenaufstand noch an der Seite des Moritz gekämpft hatte, schloss sich dem Passauer Vertrag nicht an.
Das politische Bemühen des Kurfürsten Moritz richtete sich nach dem Abschluss des Passauer Vertrags auf die Durchsetzung und die Sicherung des vereinbarten Landfriedens.[28] Sein Ziel war, auch aus eigenem Interesse, „ein allgemeiner Friede im Reich, der auf der Sicherung des bestehenden Besitz- und Bekenntnisstandes unter den Ständen beruhte. Aber eben diese Ordnung drohte <Markgraf>Albrecht mit seiner Ablehnung des Passauer Vertrages und durch seine Kriegführung zu zerstören.“[29] Albrecht war Söldnerführer, er lebte vom Krieg und war außerdem daran interessiert, sein fränkisches Territorium zu vergrößern. Darum kämpfte er schon während des Fürstenaufstands auch auf eigene Faust gegen die Reichsstadt Nürnberg und gegen die fränkischen Bistümer Bamberg und Würzburg. Im Mai 1552 zwang er gewaltsam Nürnberg und den Bistümern Verträge auf, die ihm Landgewinne und erhebliche Geldzahlungen brachten. An den Verhandlungen in Passau nahm er nicht teil, den Passauer Vertrag unterschrieb er nicht. Er machte Propaganda gegen diesen Vertrag[30] und fühlte sich an das Landfriedensgebot nicht gebunden. Plündernd zog er wiederholt durch die Bistümer Mainz, Worms, Speyer und Trier.
Eine Verständigung zwischen Moritz und Albrecht kam trotz ihrer früheren Verbindung und trotz verschiedener Versuche von beiden Seiten nicht zustande. Auch die Vermittlungsversuche von dritter Seite und die Argumente seiner eigenen Hofbeamten blieben ohne Erfolg.[31] Moritz kam in den Monaten zwischen Passau und Sievershausen immer klarer zu der Überzeugung, dass Albrecht für einen friedlichen Ausgleich nicht zu gewinnen war.
Erfolgreich war die Friedenspolitik des Moritz jedoch auf einem anderen Gebiet. Es gelang eine Verständigung mit Herzog Heinrich d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel.[32] Als strenger Katholik war Heinrich den von Albrecht bedrängten fränkischen Bischöfen von Würzburg und Bamberg zu Hilfe geeilt. Damit war er ein Gegner Markgraf Albrechts und in dieser Gegnerschaft ein natürlicher Verbündeter von Kurfürst Moritz. Moritz und Heinrich waren zudem die Kreisfürsten des Obersächsischen und des Niedersächsischen Reichskreises und den Reichskreisen war die Aufgabe zugefallen, den Landfrieden zu verteidigen bzw. herzustellen. Am 24. März 1553 wurde in Haldensleben ein Vertrag zwischen Moritz und Heinrich abgeschlossen. Er beinhaltete einen Nichtangriffspakt und die gegenseitige militärische Hilfszusage im Falle eines Angriffs.[33] Dieser Vertrag schuf einen entscheidenden Machtfaktor in Mittel- und Norddeutschland. Er verstetigte und realisierte zugleich den Passauer Vertrag: Die konfessionellen Unterschiede zwischen dem Protestanten Moritz und dem Katholiken Heinrich waren kein Hinderungsgrund mehr für ein Bündnis; Heinrich, der den Passauer Vertrag nicht unterschrieben hatte, wurde auf diese Weise nachträglich in das in Passau ausgehandelte Friedenssystem integriert. Der Haldenslebener Vertrag war die Basis für das gemeinsame Vorgehen von Moritz und Heinrich sowohl zum Schutz der fränkischen Bischöfe als auch für den gemeinsamen Feldzug gegen Albrecht in Niedersachsen.
Der Verlauf des Geschehens bis zur Schlacht in Sievershausen ist in unserem Zusammenhang unerheblich. Aber für die Rekonstruktion der Bedeutung der Schlacht ist es aufschlussreich, die Begründung des Moritz bzw. die von ihm verfolgten Ziele zu benennen:
Moritz hatte das gewaltsame Vorgehen des Albrecht in Franken, im Rheinland und weit darüber hinaus vor Augen. Moritz sah, dass Albrecht ohne Erlaubnis fremde Territorien durchzog. Er befürchtete, dass Albrecht auch in sein eigenes Territorium einfallen könnte.[34] Um die zum Frieden auffordernden Mandate des Kaisers und des Reichskammergerichts kümmerte sich Albrecht ebenso wenig wie um den Passauer Friedensvertrag. Er warf Albrecht vor, dass er Empörung[35], d. h. Aufruhr, betreibe, dass er den Frieden zerrütte und Schrecken im Reich verbreite wie seit vielen Jahren kein anderer Fürst.[36] Albrecht richte das Reich durch sein Vorgehen zugrunde. Moritz war überzeugt, dass alle Glieder des Reichs verpflichtet seien, die von Albrecht ausgehende allgemeine Gefahr abzuwenden.[37] Moritz selbst war eben dazu entschlossen. Zwei wörtliche Zitate statt vieler anderer können diese Zielsetzung des Moritz deutlich belegen:
Am 25. Juni 1553 schrieb Moritz an seinen Verbündeten, König Ferdinand (ich gebe seine Worte in heutiger Sprache wieder): „Obwohl ich für meine Person viel lieber keinen Krieg führen würde, auch niemandes Land und Leute begehre oder sonst irgendeinen speziellen Nutzen daraus ziehen will, obwohl ich Markgraf Albrecht, mit dem ich eine Zeitlang in guter Freundschaft gestanden habe, seinen Untergang nicht gönne, wie ich ihm auch selbst geschrieben habe, und obwohl ich am liebsten wollte, dass er von der geplanten Kriegsführung Abstand nehmen wollte, so geht es mir jetzt doch vor allem darum, dass beständiger Friede, Ruhe und Einigkeit im Reich aufgerichtet werden möchte und das Verderben verhütet wird.“[38]
Am Abend nach der Schlacht, am 9. Juli 1553, diktierte der verwundete Moritz einen Brief an den Erzbischof Melchior von Würzburg. Darin hieß es: „Wir können uns wohl rühmen, dass wir diese Schlacht gegen den Landesbeschädiger und seinen unruhigen Anhang geführt haben, dass wir dies vorgenommen haben aus einem großen Eifer zur Unterhaltung von Frieden, Ruhe und Einigkeit im heiligen Reich und damit ein Reichsstand bei dem anderen ruhig sitzen und wohnen könnte und nicht einer nach dem anderen so jämmerlich verderbt hingezogen und gefressen werden möchte.“[39]
3.2 Das reichsgeschichtliche Ergebnis der Schlacht von Sievershausen
Die Schlacht ist bisweilen als Kampf für das lutherische Evangelium angesehen worden. Diese Sicht hat jedoch keinerlei Anhalt an der historischen Realität. Auf beiden Seiten kämpften konfessionell gemischte Kombattanten, deren Konfessionsstand durch den Ausgang der Schlacht in keiner Weise verändert wurde. Die konfessionelle Zusammensetzung der Kombattanten[40] zeigt vielmehr das neue Paradigma an: Die Verteidigung des Landfriedens gegen den Landfriedensbrecher hat sich von der Frage, wessen Glaube der rechte Glaube ist, völlig getrennt. Die Schlacht von Sievershausen hat den wütendsten Gegner der Passauer Friedensordnung ausgeschaltet.[41] Sie hat den Passauer Vertrag verteidigt, sie hat ihm reale Geltung im Reich verschafft.
Die Schlacht von Sievershausen und ihre Vorgeschichte deckten zudem die Schwäche des Kaisers und damit der Zentralgewalt im Reich und die Stärke der Territorialgewalten auf.
Aus beiden Gründen kann die Schlacht als eine wichtige Etappe auf dem Weg zum Augsburger Religions- und Landfrieden von 1555 angesehen werden. Der Passauer Vertrag ist die Blaupause des Augsburger Religionsfriedens.[42] Die Schlacht von Sieverhausen hat ihm die dazu nötige reale Geltung im Reich verschafft.
4.3 Eine abschließende Reflexion auf die Schlacht von Sievershausen
Ich möchte zum Schluss auf die Frage eingehen, ob uns die Schlacht von Sievershausen etwas für heute Relevantes zu denken gibt. Ich antworte auf diese Frage mit „Ja“. Die Schlacht von Sievershausen hat die Passauer Friedensordnung gerettet. Die Relevanz von Sievershausen ist deshalb die Relevanz von Passau. Ich nenne drei Dinge, in denen diese Relevanz zum Ausdruck kommt.
4.3.1 In der in Sievershausen verteidigten Passauer Friedensordnung setzten sich die Juristen gegen die Theologen durch. Man kann auch sagen: Es setzten sich die Pragmatiker gegen die Dogmatiker durch. Wenn wir das verallgemeinern, können wir sagen: Weltlicher Friede ist eine Frucht pragmatischen Denkens, nicht dogmatischer Rechthaberei. Die auf die reine Lehre fixierten Dogmatiker fahren die Friedensbemühungen vor die Wand. Pragmatiker können einen Weg finden, der den Dogmatikern verschlossen ist.
4.3.2 Der Passauer Vertrag klammert die unlösbaren Fragen aus und konzentriert sich auf die lösbaren Fragen. In den zwischen Lutheranern und päpstlichen Theologen strittigen theologischen Positionen war eine Übereinkunft unabsehbar. Dieser Umstand wurde ausgeklammert. Es zeigte sich: Daneben, also neben den unlösbaren theologischen Fragen, gab es Fragen genug, die gelöst werden konnten. Man kann Frieden miteinander halten, auch wenn man in Fragen des Glaubens und in den Formen der kirchlichen Organisation, allgemeiner gesprochen: auch wenn man in vielen wichtigen anderen Fragen auseinander bleibt.
4.3.3 Es ist vor jedem überschwänglichen Optimismus zu warnen. Der Passauer Vertrag konstituiert eine epochemachende Friedensordnung. Diese wurde aber durch einen Krieg erst möglich (den sog. Fürstenaufstand). Und sie musste durch einen Krieg, durch die Schlacht von Sievershausen, verteidigt werden. Der unbeugsame Kaiser und der vom Krieg lebende Markgraf hätten einer Friedensordnung sonst definitiv entgegen gestanden.
Literaturverzeichnis
Hermann Barge: Die Verhandlungen zu Linz und Passau und der Vertrag von Passau im Jahre 1552. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der philosophischen Doktorwürde an der Universität Leipzig. Stralsund, 1892.
Gerd Biegel / Hans-Jürgen Derda (Hg.): Blutige Weichenstellung. Massenschlacht und Machtkalkül bei Sievershausen 1553. Veröffentlichungen des Braunschweigischen Landesmuseums, Bd. 107. Braunschweig, 2003.
Wilfried Härle / Johannes Schilling u.a. (Hg.): Martin Luther. Lateinisch-deutsche Studienausgabe, Bd. 1: Der Mensch vor Gott. Leipzig, 2. Aufl., 2016.
Thomas Kaufmann: Geschichte der Reformation. Frankfurt/Main und Leipzig, 2009.
Franz Lau / Ernst Bizer: Reformationsgeschichte Deutschlands bis 1555. Die Kirche in ihrer Geschichte. Ein Handbuch. Hg. von K. D. Schmidt und E. Wolf. Band 3, Lieferung K. Göttingen, 1964.
Politische Korrespondenz des Herzogs und Kurfürsten Moritz von Sachsen. Bd. 6. 2. Mai 1552 – 11. Juni 1553, mit ergänzenden Dokumenten zum Tod des Kurfürsten. Bearbeitet von J. Herrmann, G. Wartenberg und Chr. Winter. Berlin, 2006.
Klaus Rauterberg: Rund um die Schlacht von Sievershausen. In: Arbeitskreis Ortsgeschichte (Hg.): Sievershausen. Fortschreibung und Ergänzung der Ortsgeschichte. Lehrte, 2003, 152 – 162.
Heinz Schilling: Martin Luther. Rebell in einer Zeit des Umbruchs. Eine Biographie. München, 2012.
Heinz Schilling: 1517. Weltgeschichte eines Jahres. München, 2017.
Heinz Schilling: Karl V. Der Kaiser, dem die Welt zerbrach. Biographie. München, 2020.
Matthias Simon: Der Augsburger Religionsfriede. Ereignis und Aufgabe. Augsburg, 1955.
[1] Resolutiones disputationum de indulgentiarum virtute (1519)
[2] So nach Schilling: Luther, A. 174 und S. 651.
[3] Bornkamm-Ebeling (Hg.): Martin Luther Ausgewählte Schriften, Bd. VI, S. 28. Schilling datiert diesen Brief irrtümlich auf den 18. 8. 1519, s. S. 651; auch der Text S. 174f scheint die irrige Datierung vorauszusetzen; richtig dagegen ebd., S. 652 bei Anmerkung 23.
[4] Am Tag darauf, so berichtet Max Brod in seiner Reuchlinbiographie, erklärte Luther vor seinen Zuhörern: „Hoch vonnöten wäre es, daß der Papst, das ist der römische Stuhl samt allen seinen Lehren und Greueln, verbrannt würde.“ (Brod: Johannes Reuchlin und sein Kampf. Göttingen 22022, 463f.)
[5] S. dazu die beiden Äußerungen Luthers bei H. Schilling: Luther, 214 (Luther ist entschlossen, „durch die Gnade Christi nie irgendeinen Buchstaben zurückzunehmen“) und 220 (Luther ist bereit, „in Ewigkeit kein Jota zu widerrufen, wenn Christus mir gnädig ist“).
[6] Luther: De servo arbitrio. Studienausgabe, Bd. 1, 267. Dem Erasmus wirft Luther umgekehrt vor, „dass du diesen Frieden und die Ruhe des Fleisches wohl als weit wichtiger einstufst als den Glauben, als das Gewissen, als das Heil, als das Wort Gottes, als die Ehre Christi, als Gott selbst.“ Ähnliche Vorwürfe wiederholt Luther mehrfach, s. ebd., 227; 233; 257.
[7] Dabei war Karl V. – das sei angemerkt – durchaus kein finsterer Traditionalist; er war mitgeprägt durch den Humanismus Burgunds und die Devotio moderna. Seinen Kampf für die reine katholische Lehre und für die ungeteilte römische Universalkirche sah er als einen Kampf an, der „nur durch eine innere Erneuerung der Kirche“ erfolgreich sein könnte.
[8] Schilling, S.287.
[9] H. Schilling: Karl V., S. 137.
[10] Die Regelung von Speyer 1529 sah vor: Wo man das Wormser Edikt bisher umgesetzt hätte, sollte dies auch in Zukunft geschehen. Wo man sich nicht daran gehalten hätte, also in den reformatorischen Territorien, sollten keine weiteren Neuerungen geschehen und sollte niemandem gewehrt werden, die Messe in herkömmlicher Weise zu lesen. Auf einem noch einzuberufenden Konzil sollten die strittigen Religionsfragen geklärt werden.
[11] Zitiert nach H. Schilling: Luther, 449; H. Schilling: Karl V., 225.
[12] H. Schilling resümiert: „Die religiösen und politischen Grenzen zwischen zwei Konfessionsblöcken, deren Grundwahrheiten unvereinbar waren, zementierte sich. Die Feindschaft wurde immer grundsätzlicher und erbitterter. Statt der von vielen erhofften Vermittlung hatte der Augsburger Reichstag von 1530 den universalgeschichtlich folgenreichen Weg ins konfessionelle Zeitalter angebahnt.“ (Karl V., 227.)
[13] Auf dem Reichstag zu Regensburg 1541 zeigte sich dann auch, dass die beiderseitigen Grundpositionen zu weit auseinander lagen und die Bereitschaft der beiderseitigen Führungskräfte, aufeinander zuzugehen, zu schwach war:
[14] Hier wäre einmal hinzuweisen auf regionale konfessionelle Bündnisse in den 20er Jahren: den katholischen Dessauer Bund und den evangelischen Bund von Torgau bzw. Gotha. Außerdem wären die sog. Packschen Händel zu erwähnen.
[15] Außerdem: Herzog Philipp von Braunschweig-Grubenhagen, Herzog Ernst der Bekenner von Braunschweig-Lüneburg, Fürst Wolfgang von Anhalt-Köthen und der Graf von Erbach, sowie 3 niederdeutsche und 8 oberdeutsche Städte. Im Laufe der nächsten Jahre schlossen sich viele weitere Territorien und Städte an, darunter 1531 auch die Reichsstadt Goslar und die Stadt Braunschweig.
[16] Ein Nebenkriegsschauplatz des Schmalkaldischen Kriegs lag in Norddeutschland. Herzog Erich II. von Braunschweig-Calenberg stand wie sein Schwager Moritz auf der Seite des Kaisers. Er übernahm die Aufgabe, die protestantischen Städte Norddeutschlands zu unterwerfen oder mindestens an der Unterstützung des Schmalkaldischen Heeres zu hindern. Von Februar 1547 an belagerte er Bremen. Als Graf Albrecht von Mansfeld mit Truppen der evangelischen Städte Norddeutschlands und Resten des bei Mühlberg geschlagenen evangelischen Heeres heranzogen, gab er die Belagerung auf und zog diesen Heeren entgegen. Bei Drakenburg/Weser erlitt er eine vernichtende Niederlage. Diese Niederlage bezeichnet den ersten Beginn einer allmählichen Veränderung der Machtverhältnisse im Reich zugunsten der Protestanten.
[17] Der sächsische Kurfürst Johann Friedrich unterwarf sich dem Kaiser; er verlor die Kurwürde und den Wittenberger Kurkreis (mit der Universitätsstadt Wittenberg und der Residenzstadt Torgau), insgesamt etwa 60% seines Herzogtums an Moritz von Sachsen. Moritz wurde am 4. Juni 1547 im Feldlager vor Wittenberg zum Kurfürsten von Sachsen ausgerufen und im Februar 1548 in Augsburg feierlich mit der Kurwürde und dem Herzogtum Sachsen-Wittenberg belehnt. Der ehemalige Kurfürst Johann Friedrich und der hessische Landgraf Philipp kamen in Haft, während der Herzog Heinrich d.J. in sein Herzogtum zurückkehren konnte. Er machte sogleich die Reformation seines Gebiets rückgängig und führte die katholische Religion erneut ein. Der Schmalkaldische Bund wurde aufgelöst. Herzog Heinrich der Jüngere wurde wieder in sein Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel eingesetzt, wo er sogleich die Rekatholisierung betrieb und massiv gegen die Reichsstadt Goslar vorging.
[18] S. Korrespondenz, Einleitung, XXIf.
[19] In der Einleitung der Korrespondenz heißt es: Die Reichsstände waren generell einer Konsenslösung gegenüber aufgeschlossen. „Die Trennung des Friedensproblems vom Religionsstreit wurde auch von diesen Ständen als notwendig erkannt, um zu einer Lösung zu kommen. Der Religionsfriede wurde mehr und mehr als eine Frage von Frieden und Recht, nicht als eine der Theologie gesehen.“ (XXII)
[20] Die Passauer Abrede vom 22. Juni 1552 hatte vorgesehen, dass der Friedensstand zwischen den Reichsständen dauerhaft weiter gelten sollte, auch wenn eine Einigung in der Religionsfrage nicht gelingen sollte (s. Korrespondenz, Einleitung, XXIII). Alle vertretenen Reichsstände und König Ferdinand hatten dem zugestimmt.
[21] „Karl V. fühlte sich aus Gewissensgründen dem Schutz der römischen Kirche und der Wiederherstellung der christlichen Einheit unter diesem Vorzeichen verpflichtet und war zudem auf die Wahrung der kaiserlichen Autorität gegenüber den Reichsfürsten bedacht.“ (Korrespondenz, Einleitung, XXIII) - Noch an einem zweiten Punkt der Abrede setzte der Kaiser eine Änderung durch. Nach der Abrede sollte über Beschwerden der Stände gegen den Kaiser eine Kommission der Stände entscheiden. Demgegenüber behielt sich der Kaiser eine solche Entscheidung selbst vor.
[22] Korrespondenz, Einleitung, XXIV.
[23] E.W. Bockenförde stellt eine ganz ähnliche Konstellation für Frankreich dar. Aus den blutigen Religionskriegen wurde hier unter Federführung der Juristen die Konsequenz gezogen, dass sich die Politik über die Forderungen der streitenden Religionsparteien erheben müsse, sollte es überhaupt eine befriedete politische Ordnung, Ruhe und Sicherheit für die Völker und die einzelnen Bürger geben; s. Recht, Staat, Freiheit, 100 – 104. Die Juristen „stellten einen formellen Begriff des Friedens auf, der nicht mehr aus dem Leben in der Wahrheit, sondern aus der Gegenüberstellung zum Bürgerkrieg gewonnen wurde. Diesem formellen Begriff des Friedens, das heißt dem Schweigen der Waffen, der äußeren Ruhe und Sicherheit des Lebens, erkennen sie den Primat zu gegenüber dem Streit um die religiöse Wahrheit.“ (102)
[24] S. dazu bei Wikipedia, s.v. Passauer Vertrag, und bei Simon, S. 28.
[25] So H. Schilling: Karl V., 322.
[26] H. Schilling: Karl V., 322.
[27] Ferdinand wollte den Frieden innerhalb des Reichs sichern, weil er nur so die erwünschte Unterstützung im Abwehrkampf gegen die Türken zu bekommen hoffte. Moritz war bestrebt, die Wittenberger Kapitulation am Ende des schmalkaldischen Kriegs, d.h. seine Landgewinne und den Gewinn des Kurfürstenrangs, entgegen den Revisionsbemühungen Johann Friedrichs aufrecht zu erhalten.
[28] Diesem Ziel diente Moritz‘ Bemühen um ein Bündnis verschiedener Reichsstände und König Ferdinands ab November 1552. Die Verhandlungen von Eger führten zwar nicht zu einem Vertragsabschluss, waren aber charakteristisch für die Politik Moritz‘ nach dem Passauer Vertrag: Moritz‘ Bemühen kannte keine konfessionelle Beschränkung, „sondern das gemeinsame Interesse der Reichsfürsten an der Friedenssicherung im Reich <stand> im Mittelpunkt“ (Korrespondenz, Einleitung, XXVI).
[29] Korrespondenz, Einleitung, XXXVI.
[30] S. Korrespondenz, 1017. In einem Schreiben Albrechts vom 4. September 1552 an verschiedene Fürsten hatte Albrecht die Behauptung aufgestellt, „der Passauer Vertrag gereiche der ganzen deutschen Nation zum Nachteil und sei ‚mehr vor eine verretherei der deutschen Nation‘ als für einen Vertrag zu halten“ (Korrespondenz, Einleitung, XXXVf). Moritz verstand diese Behauptung als eine unverzeihliche Beleidigung.
[31] Der Kaiser (1028) und mehrere Fürsten setzten sich für die Erhaltung des Friedens ein, so z.B. der brandenburgische Kurfürst Joachim (997); Herzog Albrecht von Bayern (1006); Herzog Christoph von Württemberg (1007); Markgraf Johann von Brandenburg (1035; 1090f); Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg (1036 – 1038; 1078f; 1095f). Für die Erhaltung des Friedens setzten sich auch Moritz Bruder August und der dänische König Christian III. ein (998). Landgraf Philipp von Hessen warnte vor einem Krieg (1040). Auch die eigenen Hofbeamten konnten Moritz nicht davon überzeugen, weiter an einer Verhandlungslösung zu arbeiten und auf militärisches Vorgehen gegen Albrecht zu verzichten. Die von einer Schlacht abratenden Argumente der Hofbeamten des Moritz sind eindrucksvoll: Wenn Moritz siegt, wird er wenig gewinnen; wer davon kommt, wird sein Feind bleiben. Wenn Moritz unterliegt, kommen auf ihn und seiner Untertanen große Beschwerden zu (1006; 1034). Zum Verhältnis des Moritz zu Markgraf Albrecht in den Monaten vor der Schlacht s. Korrespondenz, Einleitung, XXXV – XXXIX.
[32] Es gab noch weitere erfolgreiche Friedensbemühungen des Moritz, z.B. zwischen Landgraf Philipp von Hessen und Herzog Heinrich; s. Korrespondenz, 997f; 1026.
[33] „Wie in Passau besaß der Frieden oberste Priorität. Die Konfessionsunterschiede […] spielten beim Bündnis keine Rolle. Wenn auch Heinrich seine Vorbehalte gegen den Passauer Vertrag in Haldensleben wiederholte, war das zweiseitige Bündnis […] eine regionale Ergänzung des in Passau vorbereiteten neuen Reichssystems, ein deutliches Signal, die in Passau 1552 erreichte Verständigung zu verstetigen und sie gegen Bedrohungen zu verteidigen.“ (Korrespondenz, Einleitung, XLIV).
[34] Aus dem Feldlager bei Elze im Leinetal trifft Moritz am 5. Juli für diesen Fall Vorsorge: Korrespondenz, 1031 – 1034.
[35] Die Stichworte „Empörer“ oder „Empörung“ begegnen in der Korrespondenz des Moritz immer wieder, s. z.B. 1000; 1013; 1032; 1064; 1070; 1080.
[36] S. Korrespondenz, 1018.
[37] S. Korrespondenz, 1024.
[38] Korrespondenz, 1000. In einem Schreiben, dass erst nach der Schlacht, aber noch ohne Kenntnis von ihr, abgefasst wurde, bestätigt König Ferdinand, dass niemand etwas anderes sagen könne, als dass die Verbündeten zur Gegenwehr gezwungen wurden und zur Sicherung des allgemeinen Friedens handelten, ohne einen Eigennutz zu suchen (ebd., 1075). Vgl. auch ebd. ., 1080f.
[39] Korrespondenz, 1053. Vgl. auch ebd., 1059; 1065
[40] Albrecht Alkibiades war an religiösen Fragen uninteressiert. Sein Verbündeter Erich II. war von seiner Mutter Elisabeth von Calenberg lutherisch erzogen worden, trat aber als junger Mann zum katholischen Glauben über, dem auch sein Vater Erich I. zeit seines Lebens angehört hatte. Braunschweig und die norddeutschen Städte bekannten sich zum Luthertum. Moritz hatte mehrfach die Fronten gewechselt. Sein Verbündeter Heinrich war ein entschiedener Verteidiger des katholischen Glaubens. Gleiches gilt von König Ferdinand.
[41] H. Schilling urteilt: Moritz erlitt bei Sievershausen den Schlachtentod, „als der den so hart erstrittenen Reichsfrieden gegen den Landfriedensbruch des skrupellos brandschatzenden Kondottiere Albrecht Alcibiades […] verteidigte.“ (Karl V., 323)
[42] Gerd Biegel urteilt zutreffend: „Der 9. Juli 1553 hat …den Weg geöffnet zum Augsburger Religions- und Landfrieden von 1555, in dem die Augsburger Konfession gleichberechtigt neben die katholische Konfession trat und die Reichsstände das Recht erhielten, in ihren Gebieten die Religionsausübung selbst zu bestimmen.“ (Blutige Weichenstellung, 25). Wenn Biegel unmittelbar vorher feststellt: „Ein Territorialkrieg wie 1553 hat einen Glaubenskrieg entschieden und darin liegt eine universale bzw. europäische Dimension von Sievershausen begründet.“, so ist das zumindest arg missverständlich. Der in Sievershausen entschiedene Krieg war kein Glaubenskrieg, sondern ein Krieg zur Verteidigung einer vom Glauben sich lösenden politischen Friedensordnung. Unzutreffend ist es m.E. auch, wenn Hans-Jürgen Derda urteilt, die Schlacht von Sievershausen gehöre „zu den im Namen der Religion geführten machtpolitischen Auseinandersetzungen“ (Blutige Weichenstellung, 32).