Arbeit mit Menschen ohne Papiere

Zum zwölften Mal schreibt die Dokumentationsstätte zu Kriegsgeschehen und über Friedensarbeit Sievershausen den mit 5.000 Euro dotierten Friedenspreis „Sievershäuser Ermutigung“ aus. In diesem Jahr  soll der Preis für die Arbeit mit Menschen ohne Papiere vergeben werden, also Menschen zugedacht sein, die illegalisierten Migranten Unterstützung bieten.

Kein Mensch ist  illegal. Deshalb wählen wir den etwas sperrigen Begriff „illegalisierte Migranten“ für Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen ohne Papiere und Aufenthaltsstatus und daher ohne rechtlichen Schutz in unserer Gesellschaft leben. Diese  Menschen werden in unserem Land zu „Illegalen“ erklärt und strafrechtlich verfolgt. Geschätzt sind es Hunderttausende, die verborgen zwischen uns leben, von Abschiebung bedroht, ohne Gesundheitsschutz, ohne Arbeitsrechte, oft als billige Arbeitskräfte missbraucht oder in die Prostitution gezwungen. Sie können ohne Hilfe und Unterstützung zumeist nicht überleben.

Ärzte, die medizinische Versorgung auch ohne Krankenkassenkarte gewährleisten, Kirchengemeinden, die Asyl bieten, Schulen, die betroffene Kinder entgegen allen Gesetzen aufnehmen, Menschen, die sich gegen Abschiebung einsetzen und das physische Überleben von Menschen ohne Papiere sichern - all jene arbeiten in einer rechtlichen Grauzone und stellen die Menschenrechte über die Gesetze des Landes. Das erfordert Mut und verdient unsere Anerkennung. Ihnen soll die Sievershäuser Ermutigung in diesem Jahr gelten.

Vorschläge, Empfehlungen und Bewerbungen können in schriftlicher Form oder per E-Mail bis zum 1. Juli 2012 an die Dokumentationsstätte zu Kriegsgeschehen und über Friedensarbeit Sievershausen gerichtet werden. Diese sind formlos einzureichen, hilfreich sind jedoch nähere Angaben zur vorgeschlagenen Person oder Initiative, Beispiele der Arbeit und Berichte zum Umfeld.

Die Sievershäuser Ermutigung wird seit über 20 Jahren im zweijährigen Rhythmus für beispielhafte Friedens- und Menschenrechtsarbeit verliehen. Die Verleihung findet jeweils zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember statt.  Die Ausschreibung erfolgt zu wechselnden thematischen Schwerpunkten. So wurde im Jahr 2010 die Radiojournalistin María Isabel Gámez vom Sender Radio Victoria in El Salvador für ihre Berichte über Umweltverbrechen im Bergbau, soziale Missstände, Menschenrechtsverletzungen und Korruption ausgezeichnet und 2008 die Organisation MADAM aus Sierra Leone für ihre Arbeit zur Rehabilitation von ehemaligen Kindersoldaten geehrt. Die Ermutigung soll die Preisträger in ihrer Arbeit bestärken und unterstützen, aber auch darüber hinaus Mut machen, sich für die Ziele von Frieden und Menschenrechten zu engagieren, wie Rupert Neudeck in seiner Laudatio 2006 hervorhob.

Der Verein Dokumentationsstätte zu Kriegsgeschehen und über Friedensarbeit Sievershausen e.V. besteht seit 1978 und betreibt in Sievershausen bei Hannover das Antikriegshaus als Veranstaltungs- und Ausstellungszentrum sowie die Antikriegswerkstatt als Seminarhaus mit Übernachtungsmöglichkeiten. Das Antikriegshaus steht an historischem Ort am Rande des Schlachtfeldes der 'Schlacht von Sievershausen', die als die opferreichste Schlacht der Reformationszeit (ca. 4000 Tote und 8000 Verletzte) gilt. Der Verein folgt einem umfassenden Verständnis von Friedensarbeit, das neben der Auseinandersetzung mit weltweiten Krisen und Konflikten auch Menschenrechts­themen, ökologische Fragestellungen, Erinnerungsarbeit und Möglichkeiten gewaltfreier Konfliktbearbeitung im Nahbereich umfasst.

 

Sonntag, 4. März, 17.00 Uhr

Die Journalistin Maria Plieva berichtet

Auch wenn sich der Blick in Richtung Kaukasien zur Zeit mehr auf Aserbeidschan als Austragungsort des europäischen Sangeswettstreites richtet, sollen die übrigen Brennpunkte der Konfliktregion nicht in Vergessenheit geraten. Dazu gehört Georgien und das umstrittene Gebilde Südossetien an der Grenze zu Russland. Die südossetische Journalistin, Juristin und Menschenrechtlerin Maria Plieva wird am 4. März einen Einblick in die schwierigen politischen Verhältnisse ihrer Heimat geben. Aufgrund der akuten Gefährdungslage ist sie seit einigen Wochen als Gast der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte in Deutschland.

Drei Jahre nach dem russisch-georgischen Krieg um die völkerrechtlich zu Georgien gehörende Region Süd-Ossetien bleibt die Lage angespannt. Russland hat als einziges Land die Eigenständigkeit Südossetiens anerkannt. Die übrige Staatengemeinschaft betrachtet die Region als Teilrepublik Georgiens. Im November 2011 fanden Präsidentschaftswahlen ohne klares Mehrheitsergebnis statt, die von Georgien, aber auch von der EU und den USA aus Prinzip nicht anerkannt worden sind. Gleichzeitig bleibt der Alltag zwischen den georgischen und russischen Bevölkerungsteilen schwierig, Nationalismen schüren Hass und Misstrauen auf beiden Seiten.

Die 28-jährige Maria Plieva ist vor allem als stellvertretende Vorsitzende des Georgisch-Ossetischen Zivilforums in das Visier der Regierung Südossetiens geraten. Sie organisierte im Ausland Gesprächskreise mit georgischen und ossetischen Journalisten und Menschenrechtsanwälten, die der Regierung und ihren russischen Beratern unliebsam sind und kommentiert diese Begegnungen in ihrem russischsprachigen Blog. Sie wurde mehrfach angegriffen, verhaftet und bedroht.

Maria Plieva schloss 2005 ihr Jurastudium ab. Seitdem arbeitete sie als Journalistin für verschiedene Medien, darunter zuletzt für die unabhängige Zeitung „21. Jahrhundert“, deren Auslieferung und Verkauf vom südossetischen Regime seit Ende August 2011 verhindert wird. Als Bloggerin schrieb sie bis 2011 für „Radio Free Europe“ und baute gleichzeitig zwei eigene Blogs in russischer Sprache auf, darunter „www.roks-alana.livejournal.com. Darüber hinaus engagierte sie sich in verschiedenen Nichtregierungsorganisationen (2003-2009) wie etwa der Frauenbewegung „Mady Arm“ oder der Menschenrechtsorganisation “Law above power“.

Foto: PRESSEBILD.DE Bertold Fabricius

Der Vortrag und die anschließende Diskussion werden ins Deutsche übersetzt. Der Eintritt ist frei.

 

 

Seit der Verankerung des 27. Januar (Jahrestag der Befreiung von Auschwitz durch die Rote Armee) als offiziellem Gedenktag für die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft im Jahr 1997 begeht das Antikriegshaus diesen Shoa-Gedenktag mit einer besonderen Veranstaltung, seit einigen Jahren auch in Zusammenarbeit mit einer der umliegenden Schulen. Unser Partner in diesem Jahr ist das Schulzentrum am Ried in Hämelerwald, zu den Mitwirkenden zählen dabei auch mehrere Jugendliche aus Sievershausen. Auch das Thema der Veranstaltung unterscheidet sich von denen vorheriger Jahre: Anlass ist die bevorstehende Verlegung von STOLPERSTEINEN in der Stadt Lehrte.

Stolpersteine sind ein mittlerweile in aller Welt bekanntes Projekt des Künstlers Gunter Demnig aus Köln, das die Erinnerung an die Vertreibung und Vernichtung der Juden, der Sinti und Roma, der politisch Verfolgten, der Homosexuellen, der Zeugen Jehovas und der Euthanasieopfer im Nationalsozialismus lebendig erhält.

In Lehrte ist durch den ARBEITSKREIS STOLPERSTEINE, dem VertreterInnen vom Lehrter Präventionsrat, aus Politik und Verwaltung sowie von Initiativen aus der der Stadt und den Ortsteilen angehören, zunächst die Verlegung von 20 Stolpersteinen geplant. Zu jedem Stein gehören Menschen mit Namen, mit einer Biografie. Am 27. Januar um 19.30 Uhr werden wir im Antikriegshaus Sievershausen über das Projekt berichten, Biografien aus Lehrte, soweit sie rekonstruierbar sind, werden von Lernenden des Schulzentrums Hämelerwald vorgestellt. Gisela Fähndrich, Präsidentin des Antikriegshauses, und der Leiter des Lehrter Stadtarchivs, werden anhand von Zeitungsartikeln aus der Zeit etwas von der Atmosphäre spüren, die es möglich machte, Menschenwürde und Menschenrechte mit Füßen zu treten, und von der mühsamen Suche nach Spuren der Lehrter Opfer des Nationalsozialismus berichten. Begleitend zeigen wir die Ausstellung „Bilder, die nicht vergessen lassen“ mit Werken von 5 italienischen Künstler, die deren Erlebnisse im Konzentrationslager beschreiben.

 

Auch in diesem Jahr fanden sich Menschen am 27. Januar, dem Tag der Befreiung von Auschwitz und seit 1996 offizieller Shoa-Gedenktag, im Antikriegshaus ein, um an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zu erinnern. Im Mittelpunkt standen diesmal Lehrter NS-Opfer, , Juden und Gegner des Naziregimes, an die zukünftig mit STOLPERSTEINEN (die Verlegung durch den Kölner Künstler Gunter Demnig findet voraussichtlich Anfang Juni statt) erinnert werden soll. Gisela Fähndrich, Präsidentin des Antikriegshauses, führte durch die Veranstaltung und vermittelte die gesellschaftliche Atmosphäre jener Zeit u.a. in Schulen und Kirchen, die die Verbrechen der Nazis erst möglich machte. Jens Mastnak, der Leiter des Lehrter Stadtarchivs, berichtete vom Stand der Vorbereitung und von den Schwierigkeiten, die mit der Recherche verbunden sind. Schülerinnen und Schüler der  Schule am Ried in Hämelerwald verlasen die Namen und biografischen Daten der Lehrter Bürgerinnen und Bürger, die Opfer von Deportation und Ermordung wurden.


Ein frohes Weihnachtsfest und
alles Gute für das Jahr 2012

 

wünschen wir vom Antikriegshaus Sievershausen.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

Liebe Mitglieder und Freunde

Ein turbulentes Jahr neigt sich dem Ende zu. Große Ereignisse und Entwicklungen haben die Welt und uns in Atem gehalten. Arabische Rebellionen und Revolutionen, der atomare Unfall von Fukushima, Finanz-, Staatsschulden und Eurokrise, aber auch der (nahezu) gescheiterte Klimagipfel von Durban haben viele Fragen aufgeworfen und für Verunsicherung gesorgt.

Doch gerade der Zweifel und die Verunsicherung können der Keim der Hoffnung sein, wenn sie uns nicht blind oder verzagt machen. Denn der Zweifel ist die Voraussetzung dafür, dass wir über die Dinge neu nachdenken, lernen und etwas verändern. Im Kleinen wie im Großen.

Lassen wir den Zweifel also zu, und machen wir ihn konkret. Beklagen wir nicht allumfassend das Schlechte, sondern benennen und kritisieren wir das, was schlecht läuft. Um es schließlich verändern zu helfen. Und trauen wir uns die kleinen Schritte zu, die wir gehen können.

Ich wünsche fröhliche Weihnachten und uns allen, dass wir die Friedensbotschaft des Weihnachtsfestes in das Jahr 2012 hinüber nehmen!

Elvin Hülser

(Vorsitzender des Antikriegshauses)

 

 

Frieden lernen
und erleben

 

 Der Friedensort
Antikriegshaus Sievershausen 
ist ein anerkannter Friedensort
der 
Evangelisch-lutherischen
Landeskirche Hannovers