Jürgen Kumlehn schildert Familienschicksale in der NS-Zeit
Die persönlichen Schicksale jüdischer Wolfenbütteler sind in der Lessingstadt viele Jahre lang unbekannt geblieben. Das Buch von Jürgen Kumlehn gibt den Ermordeten, Deportierten und Geflohenen ihre Gesichter und Namen zurück. Mehr als 15 Jahre hat er für sein dokumentarisches Lesebuch recherchiert. Er sichtete Dokumente im Staatsarchiv, führte unzählige Gespräche mit Nachbarn und Hinterbliebenen, nahm Kontakt auf zu Menschen, die einst aus Wolfenbüttel flüchteten und heute im Ausland leben. Sämtliche Mosaiksteine puzzelte Kumlehn zusammen – Namen, Daten, Fakten, Fotos.
Kumlehn, aufgewachsen in einem Dorf nahe Helmstedt an der damaligen Zonengrenze, ist von der Geschichte der Juden in Wolfenbüttel betroffen und will mit seinem 480-Seiten-Werk auch betroffen machen. Nicht im Sinne einer Schuldzuweisung, sondern indem er individuelle Schicksale von 70 Familien und etwa 330 Einzelpersonen erzählt, an denen der Leser Anteil nehmen kann.
Dabei beschränkt sich das Buch nicht allein auf die Jahre 1933 bis 1945, die Zeit der Ausgrenzung, Entrechtung, Deportation und Vertreibung. Kumlehn: „Es enthält Hinweise zum Leben im 20. Jahrhundert, das bis zum Anwachsen des Antisemitismus geprägt war durch gemeinsames Handeln von Juden und Christen zum Wohle der Stadt.“
Jürgen Kumlehn wurde für seine Arbeit im Jahr 2003 mit dem Friedenspreis des Antikriegshauses, der Sievershäuser Ermutigung, ausgezeichnet. Seine Lesung am 2. September ist für Lehrte auch unter dem Aspekt der anstehenden Verlegung von Stolpersteinen in der Stadt von Interesse, die an die Lehrter Opfer der NS-Verfolgung erinnern sollen.