Zwei Jahre nach Kriegsbeginn: Connection e.V. und PRO ASYL kritisieren Asyl-Ablehnungen russischer Verweiger*innen
Weitere Infos unter https://de.Connection-eV.org/article-4015
Zwei Jahre nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine lehnt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) weiterhin russische Verweiger*innen des Krieges ab und verpflichtet sie, nach Russland zurückzukehren. Connection e.V. und PRO ASYL sind alarmiert über die ihnen vorliegende Begründung des BAMF, die das Risiko für die russischen Verweiger*innen, in einem völkerrechtswidrigen Krieg rekrutiert zu werden, ignoriert.
Die Quote der Asyl-Anerkennungen hat sogar abgenommen, wie Zahlen des Bundesinnenministeriums zeigen. "Nach unseren Erkenntnissen trifft dies vor allem diejenigen Militärdienstpflichtigen, die sich schon rechtzeitig vor einer Rekrutierung dem Zugriff des Militärs entzogen hatten. In letzter Konsequenz bedeutet das, dass deutsche Behörden russische Verweiger*innen dem russischen Militär zur Rekrutierung in einen völkerrechtswidrigen Krieg ausliefern werden", so Rudi Friedrich, Geschäftsführer des Kriegsdienstverweigerungs-Netzwerks Connection e.V.
EU verschärft Visaregelungen
Zuletzt hatte Connection e.V. im September 2023 eine Analyse vorgelegt, wonach mindestens 250.000 Militärdienstpflichtige aus Russland seit Beginn des Krieges gegen die Ukraine das Land verlassen haben und Schutz in anderen Ländern suchen. Der größte Teil floh in südliche Nachbarstaaten wie Kasachstan oder Georgien. Oft ist ihre Situation dort prekär, weil sie häufig nur einen zeitlich befristeten Aufenthaltsstatus haben.
"Die Europäische Union hat zugelasse, dass Visaregelungen gegenüber militärdienstpflichtigen Russ*innen noch verschärft wurden statt ihre Entscheidung gegen eine Teilnahme im Krieg zu unterstützen", sagt Karl Kopp, Geschäftsführer von PRO ASYL. Laut Eurostat konnten daher zwischen Februar 2022 und Ende 2023 nur etwa 9.000 militärdienstpflichtige Männer aus Russland Asyl in einem Staat der Europäischen Union beantragen.
Asylanerkennungen haben abgenommen
Das Bundesinnenministerium legte im September 2023 detaillierte Zahlen zu männlichen Asylantragstellern in Deutschland zwischen 18 und 45 Jahren aus Russland vor. Für die ersten acht Monate 2023 kommt das Bundesinnenministerium zu dem Schluss, dass von 904 behandelten Anträgen lediglich elf positiv entschieden wurden, 33 wurden abgelehnt, in mehr als 800 Fällen wurden die Betroffenen auf das Asylverfahren in anderen Ländern wie Polen, Kroatien oder Finnland verwiesen.
Damit ist die Anerkennungsquote von 2022 auf 2023 sogar noch gefallen. Gab es im Jahr 2022 zumindest noch 40 Prozent positive Entscheidungen bei den inhaltlich geprüften Asylanträgen, so nahm die Quote für Januar bis September 2023 ab und betrug nur noch 25 Prozent.
Connection e.V. und PRO ASYL sind insbesondere alarmiert darüber, mit welchen Begründungen das BAMF Asylanträge von Militärdienstentzieher*innen ablehnt. In einem Bescheid vom 29. September 2023 führt das Amt bei einem Reservisten, der bereits einen Einberufungsbescheid erhalten hatte, aus, er ergebe sich "alleine aus der Verweigerung der Teilmobilisierung keine Verfolgungshandlung". Es sei zwar nicht auszuschließen, "dass im Rahmen des Ukrainekrieges und im weiteren Verlaufe des Kriegsgeschehens härtere Bestrafungen gegen Mobilisierungsentzieher ausgesprochen werden. Eine konkrete Durchsetzung ist nach aktueller Rechtslage jedoch nicht beachtlich wahrscheinlich."
In völkerrechtswidrigen Krieg eingezogen
Abgesehen von einer möglichen Strafverfolgung wird jedoch auf den entscheidenden Umstand überhaupt nicht eingegangen: Der Antragsteller würde bei seiner Rückkehr nach Russland mit großer Sicherheit in den völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukraine eingezogen. Urteile der Verwaltungsgerichte Halle und Berlin zeigen, dass dies sehr wohl zu einer Anerkennung führen muss.
Die Praxis des Bundesamtes zeigt, dass die Ankündigungen aus der Politik, sich für eine Anerkennung der russischen Verweiger*innen einzusetzen, nicht viel wert sind. "Offensichtlich gibt es Anerkennungen nur bei Deserteur*innen, wie vom Bundesinnenministerium angekündigt. Die große Zahl der Militärdienstentzieher*innen wird jedoch abgelehnt. Das ist ein unerträglicher Zustand", so Rudi Friedrich, Geschäftsführer von Connection e.V.
Wer sich einem Krieg entzieht, verdient Schutz
PRO ASYL und Connection e.V. fordern von der deutschen Bundesregierung, Möglichkeiten zu schaffen, Schutz und Asyl für Kriegsdienstverweigerer, Militärdienstentzieher und Deserteure zu garantieren. Dazu gehört:
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Russische Staatsbürger*innen müssen auch von Ländern außerhalb Russlands, wo ihnen eine Abschiebung nach Russland droht, Anträge zur Aufnahme in die Europäische Union stellen können. Ihnen sollte der Weg zu humanitären Visa ermöglicht werden.
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Keine Pushbacks! Eine Aufnahme Schutzsuchender kann nur gelingen, wenn die illegalen Pushbacks gestoppt werden und die Menschen Zugang zu einem fairen Asylverfahren erhalten. Aber die derzeitigen Regelungen für eine Visavergabe hindern viele daran, sichere Länder zu erreichen.
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Mit Blick auf Asyl oder einen anderen Aufenthaltsstatus müssen die EU-Länder nicht nur Kriterien für Deserteur*innen entwickeln, sondern vor allem Lösungen für die größere Zahl der Militärdienstentzieher*innen finden. Sie wären bei einer zwangsweisen Rückkehr nach Russland einer Rekrutierung für einen völkerrechtswidrigen Krieg unterworfen.
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Die EU sollte ein Aufnahmeprogramm beschließen, damit diejenigen russischen Staatsbürger*innen, die sich unter großem Risiko von der Regierung ihres Landes abgewandt haben, Möglichkeiten der Ausbildung und Beschäftigung erhalten.
Weitere Informationen finden Sie im Hintergrundtext von Connection e.V. "Russinnen und Russen, die sich dem Krieg verweigern" sowie auf der PRO ASYL-Homepage in einer gekürzten Fassung, die im Laufe des Tages hier veröffentlicht wird.
PRO ASYL und Connection e.V. sind Teil der #ObjectWarCampaign, mit der sich europaweit mehr als hundert Organisationen für Schutz und Asyl von Kriegsdienstverweiger*innen und Deserteur*innen aus Russland, Belarus und der Ukraine einsetzen.
Auf die Situation von Deserteur*innen und Militrdienstentzieher*innen aus der Ukraine und aus Belarus sind wir an anderer Stelle ausführlich eingegangen.
30 Organisationen verlangen Schutz und Asyl für Verweigerer aus Russland, Belarus und der Ukraine
Aktionen starten nächste Woche - Rund um den Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung
Weitere Infos unter https://de.Connection-eV.org/article-3777
Trotz zahlreicher anderslautender Bekundungen regierender Politiker*innen in Deutschland und der EU gibt es für Menschen aus Russland, Belarus und auch der Ukraine, die vor dem Dienst an der Waffe fliehen, noch immer keinen dauerhaften Schutz – ihnen droht die Ausweisung. Das muss sich dringend ändern, fordern nun 30 deutsche und internationale Friedens- und Menschenrechtsorganisationen – darunter auch welche aus Russland, Belarus und der Ukraine selbst.
"Wir haben gemeinsam über 35.000 Protestunterschriften gesammelt und werden vom 8. bis 21. Mai 2023 mit Aktionswochen rund um den Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung auf die Problematik aufmerksam machen", so Rudi Friedrich vom Kriegsdienstverweigerungs-Netzwerk Connection e.V. – aktuell sind zehn Aktionen in Deutschland und weitere in anderen europäischen Ländern geplant.
9. Mai 2023, Berlin | 11. Mai 2023, Frankfurt am Main | 14. Mai 2023, Online-Gedenkveranstaltung | 15. Mai 2023, Berlin | 15. Mai 2023, Erfurt | 15. Mai 2023, Halle | 15. Mai 2023, Karlsruhe | 15. Mai 2023, Stuttgart | 16. Mai 2023, Wuppertal-Ronsdorf | 19. bis 21. Mai 2023, Leipzig – International: 15. Mai 2023, Salzburg, Österreich | 15. Mai 2023 – Tampere, Finnland | 16. Mai 2023 - Rom, Italien | 22. Mai 2023 – Brüssel, Belgien | Alle Termine unter www.Connection-eV.org/veranstaltungen
Berlin am 15. Mai 2023: Mehr als 35.000 Unterschriften werden übergeben
Eine der größten Aktionen wird am 15. Mai – dem internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung – stattfinden: In Berlin werden die gesammelten Protestunterschriften um 11 Uhr bei der Vertretung der EU-Kommission abgegeben – dazu wird es auch eine bildstarke Aktion geben.
Verweiger*innen brauchen eine Zusage der EU und der deutschen Regierung
"Menschen, die sich dem Krieg in der Ukraine entziehen wollen, brauchen klare Zusagen der Bundesregierung und der europäischen Institutionen auf Schutz und Asyl", fordert Rudi Friedrich. Rund 170.000 Menschen in der Ukraine, 150.000 in Russland und 22.000 in Belarus hätten sich dem Kriegsdienst mittlerweile entzogen: "Kriegsdienstverweigerung ist ein Menschenrecht, welches gerade auch in Zeiten eines Krieges umgesetzt werden muss", so Friedrich.
Forderungen auch an die am Krieg beteiligten Länder
Die Forderungen der 30 Friedens- und Menschenrechtsorganisationen richten sich daher nicht nur an Deutschland und die EU: "Wir fordern von den am Krieg beteiligten Ländern die sofortige Einstellung der Repressionen gegen Menschen, die sich nicht am Morden und Sterben beteiligen wollen", so Michael Schulze von Glaßer von der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK). In Belarus droht Deserteur*innen mittlerweile die Todesstrafe und auch in Russland und der Ukraine gibt es eine Strafverfolgung von Menschen, die nicht an die Front wollen: "Wir haben unsere Forderungen daher auch in die jeweiligen Landessprachen übersetzt und rufen explizit auch zu Aktionen vor Landesvertretungen auf", so Schulze von Glaßer.
Den Aktionsaufruf sowie alle weiteren Informationen gibt es auf: https://de.connection-ev.org/ObjectWarCampaign
Kontakte
Rudi Friedrich, Connection e.V., 069 8237 5534, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Michael Schulze von Glaßer (politischer Geschäftsführer der DFG-VK), 0176 235 75 236, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
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