Thomas Fatheuer über Grüne Ökonomie
Der Sozialwissenschaftler Thomas Fatheuer hat im Antikriegshaus Sievershausen den zweiten Teil der Veranstaltungsreihe „wie wollen wir leben?“ mit einem Vortrag über die Grüne Ökonomie eröffnet. Ausgehend von der schon fast allgemein anerkannten Feststellung „business as usual ist keine Option“, zeigte er auf, was auch die Verfechter der Grünen Ökonomie umtreibt: Je länger wir an dem derzeitigen fossilen Modell der Industriegesellschaft festhalten, desto höher werden später die Kosten sein. Auch der Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen spricht in seinen Veröffentlichungen von der Transformation zur Nachhaltigkeit, an der Politik und Gesellschaft arbeiten müssen. Dazu gehört z.B. das zweite-Ziel: die globale Erwärmung auf weniger als zwei Grad Celsius gegenüber dem Niveau vor Beginn der Industrialisierung zu begrenzen. Um dies zu erreichen, müssen die weltweiten Treibhausgas-Emissionen bis 2050 um mindestens 50 % sinken, in den Industrieländern um 80-95 % (jeweils gegenüber 1990). Auch in anderen Bereichen wie der Bodennutzung oder der Ozeanversauerung werden solche „Leitplanken“ definiert. Eine gewaltige Aufgabe.
Die Grüne Ökonomie aber sieht realistische Chancen, diese Ziele mithilfe Grüner Technologie zu erreichen. Diese hilft z.B., durch Effizienzgewinne den Energieverbrauch immer weiter zu reduzieren. Die ersten Erfolge sind u.a. in der Energiewende zu sehen, aber die Transformation zur Nachhaltigkeit, vor der Politik und Gesellschaft stehen, steht noch ganz am Anfang.
Fatheuer zeigte auf, dass der optimistische Glaube an Innovation und grünes Wachstum, der die grüne Ökonomie prägt, nicht ausreicht. Innovationen sind wichtig, aber nicht das Allheilmittel. Es gilt ebenso, beim Lebensstil anzusetzen. Er erläuterte an praktischen Beispielen, wie der sog. Rebound-Effekt Effizienzgewinne wieder zunichte macht. So haben zwar unsere Wohnungen durch bessere Dämmung einen geringeren Wärmebedarf pro Quadratmeter, der pro-Kopf-Bedarf aber bleibt gleich oder steigt sogar, weil wir uns größere Wohnungen leisten. Ähnliches lässt sich beim Auto oder bei Elektrogeräten im Haushalt beobachten.
Auch können „grüne Innovationen“ durchaus auf falsche Wege führen. Das passierte bspw. mit der Förderung von Energiepflanzen, die helfen sollten, Erdöl zu ersetzen. Fatheuer, der lange Jahre in Brasilien lebte, wusste von den Zerstörungen zu berichten, die diese Strategie in Ländern wie Brasilien oder Indonesien angerichtet hat, wo in großem Ausmaß Palmöl oder Zuckerrohr zur Energiegewinnung angebaut werden und damit nicht nur Regenwald, sondern auch die Existenzgrundlage von vielen Kleinbauern vernichtet wird. Die Konkurrenzsituation zum Nahrungsanbau muss also immer mitgedacht werden.
Fatheuer kritisierte aber auch, dass sich die Politik hauptsächlich auf das CO²-Problem konzentriert. Die planetarischen Grenzen der Stabilität werden aber ebenfalls beim Artensterben und beim Stickstoffkreislauf überschritten, die noch zu wenig im Blickfeld sind. Und beim Klimaschutz gibt es die fatale Tendenz, sich freizukaufen, sei es im industriellen Bereich durch den Emissionshandel oder im privaten Bereich durch CO²-Zertifikate. So wird das eigene ökologisch schädliche Verhalten nicht verändert, sondern durch Geldzahlungen ausgeglichen (moderner Ablasshandel), und darauf vertraut, dass anderswo die Transformation zur Nachhaltigkeit stattfindet.
Die nachfolgende sehr lebhafte Diskussion zeigte, dass den ZuhörerInnen schon sehr bewusst ist, dass es auf eine Änderung des eigenen Lebensstils ankommt und das Motto des Abends „business as usual ist keine Option“ durchaus in der eigenen Lebenspraxis unterstützt wird.