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Zwangsarbeit in Lehrte während des Zweiten Weltkriegs

Vortragsveranstaltung mit Dr. Heiko Arndt, Lehrte, Städtische Galerie, 27. 9. 2024, 19:00 Uhr

Während des Zweiten Weltkrieges rekrutierten die Deutschen Millionen von Menschen in den besetzten Ländern, großenteils unter Zwang. Ihr Einsatz war ein wichtiges Element nationalsozialistischer Herrschaft und trug wesentlich dazu bei, die Kriegswirtschaft am Laufen zu halten. In diesem Zusammenhang kam der Stadt Lehrte als Eisenbahnknotenpunkt besondere Bedeutung zu, vor allem deshalb, weil hier seit dem Sommer 1942 ein großes Durchgangslager (Dulag) betrieben wurde.

Es war das größte, wichtigste seiner Art im deutschen Nordwesten. Schätzungsweise 120.000–130.000 Personen machten den „Durchgang“ bis 1945 mit, mehrheitlich Zwangsarbeiter. Hier wurden sie für den Arbeitseinsatz registriert, entlaust und dann fast immer nach kurzem Aufenthalt an andere Orte in Niedersachsen weiterverteilt. Für einige von ihnen wurde Lehrte allerdings zur Endstation: Sie überlebten die Zeit der Zwangsarbeit in Lehrte nicht und wurden teilweise auf Lehrter Friedhöfen begraben.

Seit Anfang 2023 arbeitet der Historiker Dr. Heiko Arndt in einem Forschungs- und Dokumentationsprojekt des Antikriegshauses Sievershausen über die Geschichte der Zwangsarbeit in Lehrte während des Zweiten Weltkrieges. An diesem Abend wird er vom aktuellen Sachstand berichten und speziell auf die Todesopfer unter den ausländischen Arbeitskräften und ihren Familienangehörigen eingehen.

Das Projekt zur Zwangsarbeit wird durchgeführt mit Unterstützung der Stadt Lehrte, der Stiftung FRIEDEN IST EIN MENSCHENRECHT sowie der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers.

Dr. Heiko Arndt bei der Ansprache am Antikriegstag auf dem neuen Lehrter Friedhof, bei der er den Umgang mit den hier bestatteten Opfern der Zwangsarbeit kritisierte

 

 

 

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Zwangsarbeit und Nationalsozialismus in Lehrte

Die Entstehung des Durchgangslagers im Jahr 1942

I.

Zwangsarbeit war ein wichtiger Aspekt nationalsozialistischer Herrschaft. Nach Millionen zählten die Menschen aus anderen Ländern, die wesentlich dazu beitrugen – und beitragen mussten –, die deutsche Kriegswirtschaft am Laufen zu halten. Es gab verschiedene Personenkreise wie die Kriegsgefangenen, KZ-Insassen und weit überwiegend die zivilen Arbeitskräfte. Letztere kamen teils auch freiwillig. Meist aber machten die Deutschen Druck. Vor allem in Osteuropa pressten sie ganze Gruppen oder Einzelne oft mit brutalen Methoden, mit roher Gewalt in den Arbeitseinsatz; sie machten regelrecht Jagd auf Menschen, ergriffen und verschleppten sie willkürlich.

Von 1939–1945 waren Zwangsarbeiter in Deutschland tendenziell überall anzutreffen, mal mehr oder weniger, mit Unterschieden von Ort zu Ort, die sich etwa aus der Wirtschaftsstruktur ergaben. In der Geschichte Lehrtes spielt Zwangsarbeit eine besondere Rolle. Das liegt nicht nur daran, dass hier relativ viele Ausländer die eingezogenen deutschen Männer ersetzen sollten, sondern mehr noch an einer speziell für sie geschaffenen Einrichtung: dem Durchgangslager an der Immenser Straße (heute Standort von Miele).

Dass es ein solches Lager in Lehrte gab, ist in der Einwohnerschaft zwar noch vielfach bekannt, doch was es genauer damit auf sich hatte, ist vergessen, nie ernstlich erforscht oder ausführlicher dargestellt worden. In der wissenschaftlichen Literatur zu Zwangsarbeit findet das Durchgangslager hier und da kurze Erwähnung, mehr nicht.[1] Dabei war es das größte, wichtigste seiner Art im deutschen Nordwesten. Schätzungsweise 120.000–130.000 Personen machten den „Durchgang“ bis 1945 mit, mehrheitlich Zwangsarbeiter.[2] Hier wurden sie für den Arbeitseinsatz registriert, entlaust und dann fast immer nach kurzem Aufenthalt an andere Orte in Niedersachsen weiterverteilt. Eine Minderheit verblieb in Lehrte. Die maßgebende Zuständigkeit lag anfangs beim Landesarbeitsamt Niedersachsen in Hannover, ging im Jahr 1943 aber auf das Gauarbeitsamt Osthannover in Lüneburg über. Sie betrieben eine Außenstelle direkt im Lager und kooperierten dabei eng mit der Deutschen Arbeitsfront (DAF), zu deren Aufgaben die Versorgung gehörte.

II.

Das Durchgangslager in Lehrte entstand 1942, zu einer Zeit, in der die Hoffnung auf einen schnellen Sieg deutscher Truppen in Russland sich zerschlagen hatte. Massenweise waren Rotarmisten in deutscher Kriegsgefangenschaft bereits umgekommen, waren verhungert, erfroren, an Krankheiten zugrunde gegangen; die Wehrmacht hatte ihr Überleben nicht vorgesehen.[3] Notgedrungen sollten nun auch die sonst als slawische „Untermenschen“ geschmähten sowjetischen Zivilisten den enormen Bedarf an Arbeitskräften an der Heimatfront so weit wie möglich decken.

Erfahrungen beim Durchschleusen von Ausländern in Lagern gab es bereits, so mit Franzosen und Belgiern an der Westgrenze. Doch mit dem Einsatz der „Ostarbeiter“ planten die Deutschen Durchgangslager in einer anderen Dimension, für erheblich mehr Menschen als zuvor und auch unter dem Gesichtspunkt, in großem Stil entlausen zu können – namentlich deshalb, weil Kleiderläuse das in Osteuropa vergleichsweise häufiger vorkommende Fleckfieber übertragen konnten. Die Praxis der Deportation zeugte von einer gewissen Schizophrenie, denn durch die Umstände – das Zusammendrängen großer Menschenmengen unter schlechten hygienischen Bedingungen in den Lagern und in eng besetzten Güterwaggons – sorgten die Deutschen selbst dafür, dass Fleckfieber sich ausbreitete, obwohl sie es gleichzeitig zu bekämpfen suchten. Die Entlausungsanlagen waren wesentlicher Bestandteil solcher neuen Lager, die zunächst insbesondere für die Ostarbeiter gebaut wurden, dann aber weitere Gruppen aufnahmen.

Am 18. November 1941 wandte sich der Reichsarbeitsminister an die Landesarbeitsämter, um den Bedarf an Durchgangslagern zu prüfen.[4] Bis dahin hatte die Wehrmacht ihre Gefangenenlager mit Entlausungsanlagen auch für ausländische Zivilarbeiter zur Verfügung gestellt. Für den verstärkten Einsatz von Osteuropäern aber reichten diese Kapazitäten nicht mehr. Der Reichsarbeitsminister machte den Landesarbeitsämtern bestimmte Vorgaben, wie solche Lager von neuem Typus einzurichten seien, für bis zu 2.000 Personen, auch mit konkreten Zahlen für verschiedenartige Baracken. Weil es schnell gehen sollte, griff man zunächst auf die verbreiteten, angeblich sofort lieferbaren Normbaracken vom Reichsarbeitsdienst zurück, bewusst behelfsmäßig, „damit der größte Notstand beseitigt ist“.[5] Tatsächlich sorgten die Landesarbeitsämter 1942 für relativ zügige Umsetzung, 19 von ihnen und eine Zweigstelle ließen im Februar bauen.[6] Im Folgejahr, 1943, existierten 46 größere Durchgangslager, nunmehr in den neugeschaffenen 42 Gauarbeitsamtsbezirken, deren Grenzen sich mit denen der NSDAP-Gaue bzw. der Reichsverteidigungsbezirke deckten.[7]

Ab Anfang 1942 lassen sich die Planungen für das Durchgangslager Lehrte in den Akten konkreter nachvollziehen. Auch wenn es sich nicht explizit nachweisen lässt, darf man annehmen, dass die günstigen Bahnverbindungen wesentlich zur Standortwahl beigetragen hatten. Jedenfalls galt es, in größter Eile und geradezu überstürzt vorzugehen; freilich verzögerte sich die Umsetzung aus verschiedenen Gründen. Am 6. Januar berichtete der Burgdorfer Landrat dem Regierungspräsidenten von laufenden Verhandlungen, wonach das Landesarbeitsamt voraussichtlich ein Auffanglager für sowjetische Zivilarbeiter in Lehrte errichten werde, mitsamt einer Entlausungsanlage.[8] Geeignetes Gelände hatte man an der Immenser Straße ausfindig gemacht. Es lag damals umgeben von landwirtschaftlich genutzten Feldern, etwas östlich vom eigentlichen Wohngebiet der Stadt Lehrte, nahe an den Bahngleisen. Die 20 Morgen großen Grundstücke, auf denen wegen passender Lage und Bodenverhältnisse das Durchgangslager für sowjetische Zivilarbeiter errichtet werden sollte, gehörten zwei Bauern und wurden kurzerhand unter Berufung auf das Reichsleistungsgesetz vom 1. September 1939 beschlagnahmt.[9]

Am 23. Januar 1942 schrieb der Oberfinanzpräsident Hannover an das Reichsfinanzministerium: „Die Aufnahme des Bauvorhabens in die Dringlichkeitsstufe 0 [d. h. die höchste, H. A.] ist vom Herrn Reichsarbeitsminister beim Gebietsbeauftragten beantragt worden. Das Durchgangslager soll bereits zum 15. Februar 1942 fertiggestellt werden.“[10] Tatsächlich ging das Lager erst später in Betrieb – in der Version vom Landesarbeitsamt „Ende Juli“ 1942, in der Version von Lagerleiter Fiebig bestand es seit dem 2. August.[11] Seitdem rollten die Transporte aus Osteuropa. Jedoch war das Lager keineswegs fertig; darum baute man es weiter aus und besserte nach, über einen längeren Zeitraum.

Wie die Verhältnisse lagen, war es von vornherein schlichtweg abenteuerlich gewesen, mit einer Bauzeit von nur wenigen Wochen für das Lager zu kalkulieren. Seien es die hinderlichen Regeln der Behörden und die schlecht funktionierende Bürokratie rund um die kontingentierten Baustoffe, sei es die ungünstige Witterung, der gefrorene Boden oder der Mangel an Personal und Material – die Probleme häuften sich. Überdies liefen die Kosten völlig aus dem Ruder. Die im März 1942 genehmigte Bausumme von 283.000 RM reichte nicht aus, stattdessen bat der hannoversche Oberfinanzpräsident einige Monate später wegen der „notwendigen Ausweitung des Lagers“ um die Bewilligung von 546.000 RM und um Verlängerung der Baufrist bis zum 31. März 1943, „vorerst“.[12]

III.

Wenngleich der Reichsarbeitsminister die Landesarbeitsämter angewiesen hatte, allerlei Einzelheiten beim Bau der neuen Durchgangslager zu beachten, so blieb doch vieles Auslegungssache, und darum glich am Ende keine dieser Anlagen einer anderen. Grundsätzlich galt es, eine „reine Seite“ von einer „unreinen Seite“ zu trennen. Üblicherweise führte der Weg für neu ankommende Lagerinsassen zunächst auf die unreine Seite, dann durch die Entlausungsanstalt und schließlich auf die reine Seite. „Rein“ bedeutete also so viel wie „entlaust“, „unrein“ das Gegenteil. Das unterstreicht noch einmal die Tatsache, dass die Entlausung als wesentliches Merkmal dieser – insbesondere für Osteuropäer konzipierten – Durchgangslager zu betrachten ist.

Im Fall von Lehrte erlaubt es der überlieferte, hier erstmals publizierte Lageplan vom September 1942, das Gelände recht genau zu überblicken und einzelne Funktionsbereiche den Baulichkeiten zuzuordnen.[13] Drei oder vier Bereiche lassen sich unterscheiden: im Westen die unreine Seite, im Osten die reine Seite (darin wiederum abgeteilt die Krankenbaracke), im Süden der Verwaltungssektor. Drahtzäune umgaben das Areal insgesamt und hielten zudem die genannten Bereiche auseinander, teilweise erfüllten Holzplanken denselben Zweck.

Das räumliche Zentrum und das mit Abstand größte Gebäude des Lagers war die kombinierte Entlausungs- und Entwesungsanstalt, sie fügte sich in die Grenze zwischen reiner und unreiner Sphäre, in einen mittleren Streifen, zusammen mit dem Brennstofflager, dem Kantinenschuppen und weiter nördlich der Krankenbaracke mit separatem Leichenhaus. Zur Terminologie: Während Menschen die „Entlausung“ über sich ergehen ließen, zielte die „Entwesung“ auf Kleidung und Gepäck, in separaten Räumlichkeiten. Für die Insassen des Lagers zeigt der Lageplan neun Unterkunftsbaracken auf der unreinen Seite und elf auf der reinen; teilweise waren sie mit eigenen kleinen Waschhäusern verbunden.[14] Fünf grau schraffierte Rechtecke auf der unreinen Seite verweisen darauf, dass man dort weitere Baracken bauen wollte, vermutlich um mehr Platz für die Insassen bereitzuhalten. Beim Abgleich mit einem Luftbild der Alliierten vom März 1945 stellt sich jedoch heraus, dass nur zwei derartige Baracken zusätzlich in dem fraglichen Bereich standen, insgesamt also elf.[15]

Zum Verwaltungsbereich gehörten – dem Lageplan zufolge – eine relativ große Wirtschaftsbaracke, zwei Baracken für die DAF, eine für die Wache, eine für das Arbeitsamt, eine Eignungsbaracke bzw. Unterrichtsbaracke, ferner eine nicht identifizierbare mit der Beschriftung „5“. Mit der Wirtschaftsbaracke war hier eine Küche mit Kantine gemeint. Deutsche und ihre Hilfskräfte durften sie betreten; dagegen holten sich die meisten Lagerinsassen ihre Verpflegung dort ab, getrennt durch die Grenze zwischen reiner und unreiner Seite, die dort direkt bis an die überdachte Speiseausgabe heran verlief. Die Eignungsbaracke, auch als Unterrichtsbaracke bezeichnet, diente wahrscheinlich der Überprüfung beruflicher Fähigkeiten der Deportierten, zumal sie Betonfußboden erhielt, um das Aufstellen von Maschinen zu ermöglichen. Grundsätzlich wurden solche Einrichtungen in den Lagern dazu genutzt, qualifizierte Arbeitskräfte namentlich für die Industrie zu selektieren.

Die Abortbaracken wurden entlang der Ränder aufgestellt, vier im Westen, sechs im Osten. Eine Kläranlage befand sich in der nordwestlichen Lagerecke – erst eine kleine, die aber bald durch eine leistungsfähigere ersetzt werden musste. Im Übrigen lassen sich winkel- und zickzackförmige Streifenmuster auf dem Lageplan und mehr noch auf den Luftbildern erkennen, überwiegend zwischen den Unterkunftsbaracken. Sie bedeuten mit Holz überbaute Deckungsgräben, die bei Fliegerangriffen wenigstens primitiven Schutz gewährleisten sollten. Bezeichnenderweise fehlten solche Gräben im Verwaltungsteil für die Deutschen, denn die suchten sich bessere Deckungsmöglichkeiten außerhalb des Lagers. Schließlich bleibt noch das Wegenetz zu nennen, das sämtliche Baracken miteinander verband; und auch Antreteplätze sind überliefert.

Räumlich abgesondert vom Lager, wenige Minuten weiter östlich an den Gleisen, war eigens für die ausländischen Arbeitskräfte ein Behelfsbahnsteig gebaut worden, mit Wegverbindung zur Immenser Straße, wo sich übrigens sämtliche Eingänge befanden. Die neu Angekommenen betraten das Lager im Südwesten. Von ihnen – den Menschen im Lager – soll ein Beitrag im nächsten Heft dieser Zeitschrift handeln.

[1] Vgl. exemplarisch Köhler, Nils: Zwangsarbeit in der Lüneburger Heide. Organisation und Alltag des „Ausländereinsatzes" 1939–1945. Bielefeld 22004. S. 169 und passim.

[2] Die Zahl ergibt sich aus eigenen Berechnungen auf der Grundlage eines Berichtes von Lagerleiter Fiebig mit statistischen Übersichten im Anhang. Vgl. Gauarbeitsamt Osthannover (Fiebig) an Regierungspräsident Lüneburg am 7. 3. 1945, NLA HA (= Niedersächsisches Landesarchiv Hannover) Hann. 180 Lüneburg Acc. 3/005 Nr. 120/1.

[3] Streit, Christian: Keine Kameraden. Die Wehrmacht und die sowjetischen Kriegsgefangenen 1941–1945. Bonn 1997; Keller, Rolf: Sowjetische Kriegsgefangene im Deutschen Reich 1941/42. Behandlung und Arbeitseinsatz zwischen Vernichtungspolitik und kriegswirtschaftlichen Zwängen. Göttingen 2011.

[4] Hucho: Die Durchgangslager für ausländische Arbeitskräfte. In: Arbeitseinsatz und Arbeitslosenhilfe 10 (1943), 21–24. S. 124–127, hier S. 124.

[5] Reichsarbeitsminister an Präsidenten der Landesarbeitsämter am 9. 12. 1941, BA (= Bundesarchiv Berlin) R2/26952.

[6] Chef der Ordnungspolizei Berlin an Höhere SS- und Polizeiführer usw. am 10. 5. 1942/Anlage 4, NLA WO (= Niedersächsisches Landesarchiv Wolfenbüttel) 12 Neu 13 Nr. 15747. Insgesamt zählte man 1942 22 Landesarbeitsämter. Vgl. Vergin, Ute: Die nationalsozialistische Arbeitseinsatzverwaltung und ihre Funktionen beim Fremdarbeiter(innen)einsatz während des Zweiten Weltkriegs. Diss. Osnabrück 2008. S. 102.

[7] Hucho: Die Durchgangslager für ausländische Arbeitskräfte. In: Arbeitseinsatz und Arbeitslosenhilfe 10 (1943), 21–24. S. 124–126, hier S. 124 f.; Didier, Friedrich: Handbuch für die Dienststellen des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz und die interessierten Reichsstellen im Großdeutschen Reich und in den besetzten Gebieten. Band 1. Berlin 1944. S. 173.

[8] NLA HA Hann. 180 Lüneburg Acc. 3/005 Nr. 120/1.

[9] Bürgermeister Lehrte an Baxmann und Friedrich am 15. 1. 1942; Wertschätzung ehemaliges Durchgangslager Lehrte durch Staatshochbauamt Hannover IV vom 17. 3. 1950, NLA HA Nds. 120 Lüneburg Acc. 2018/66 Nr. 1/255.

[10] BA R2/26944.

[11] Lagebericht Präsident des Landesarbeitsamtes Niedersachsen vom 7. 9. 1942, NLA WO 12 Neu 18 Nr. 783; Gauarbeitsamt Osthannover (Fiebig) an Regierungspräsident Lüneburg am 7. 3. 1945, NLA HA Hann. 180 Lüneburg Acc. 3/005 Nr. 120/1.

[12] Oberfinanzpräsident Hannover an Generalbevollmächtigten für die Regelung der Bauwirtschaft am 21. 10. 1942, BA R2/26944.

 

 

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Projekt Zwangsarbeit im Raum Lehrte 1939–1945

Das Antikriegshaus ist Träger eines Projektes zur NS-Geschichte in Lehrte und Umgebung mit dem Fokus auf der Erforschung der Zwangsarbeit, nicht nur bezogen auf die großen Lager im Stadtgebiet.

Während des Zweiten Weltkrieges rekrutierten die Deutschen Millionen von Menschen in den besetzten Ländern, großenteils unter Zwang. Ihr Einsatz war ein wichtiges Element nationalsozialistischer Herrschaft und trug wesentlich dazu bei, die Kriegswirtschaft am Laufen zu halten.

In diesem Zusammenhang kam der Stadt Lehrte als Eisenbahnknotenpunkt besondere Bedeutung zu, vor allem deshalb, weil hier seit dem Sommer 1942 ein großes Durchgangslager (Dulag) betrieben wurde. In diesem Lager an der damaligen Immenser Straße (heute Standort von Miele) kamen weit über 100.000 Menschen meist aus Osteuropa an, um von hier aus an entferntere Arbeitsplätze weiterverteilt zu werden. Das Dulag war mit Abstand das größte seiner Art im deutschen Nordwesten.

Auch das Lager „Ida“ am Eisenbahnlängsweg gehörte zu den großen Lagern, hier mussten Menschen für die Reichsbahn arbeiten. Daneben bestanden weitere kleinere Lager – sowohl in der heutigen Kernstadt Lehrte als auch in den umliegenden Ortsteilen.

Obwohl aber Zwangsarbeit ganz offenkundig eine wichtige Rolle in Lehrte spielte, ist ihre örtliche Geschichte – und die betrifft keineswegs nur die Lager – bis heute wenig bekannt. Mit dem laufenden Projekt, das die Stadt Lehrte und das Antikriegshaus nun gemeinsam begonnen haben, wird dieses bedeutsame Kapitel der Lehrter Geschichte wissenschaftlich erforscht und dokumentiert.

Dafür sind auch Sie, die Menschen in Lehrte, gefragt: Möchten Sie mit Informationen und Materialien unterstützen?

Vor allem gesucht sind Bilder, Alben, Dokumente, schwerpunktmäßig zur Verbindung von Zwangsarbeit und Reichsbahn, aber auch zu anderen Aspekten. Haben Sie Aufnahmen von den Lagern, von einschlägigen Arbeitsplätzen wie dem Rangierbahnhof, von den Menschen, um die es da geht? Befinden sich entsprechende Tagebücher, Briefe, dienstliche Unterlagen in Ihrem Besitz? Waren Familienangehörige von Ihnen damals bei der Bahn beschäftigt und haben solche Dinge hinterlassen? Für das Projekt wäre es hilfreich, wenn Sie solche Materialien wenigstens leihweise zur Verfügung stellen, damit sie digitalisiert bzw. gescannt werden können. Sie finden dann langfristig einen Platz im Stadtarchiv Lehrte.

Das Projekt läuft bis Ende 2024, dann werden die Ergebnisse der Öffentlichkeit vorgestellt. Sie sollen auch als Grundlage dienen, um entsprechende Vermittlungsangebote für Jugendliche zu entwickeln.

 

 

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Die vergessenen Zwangsarbeiter von Lehrte

Zwangsarbeit und Nationalsozialismus in Lehrte

 

NS-Zwangsarbeit in Lehrte: SPD lädt zum Vortrag mit Diskussion ein

(Lehrte, 15.08.2023) Die SPD Lehrte lädt  zu einem öffentlichen Vortrag des Historikers Dr. Heiko Arndt mit anschließender Diskussion zum Thema „Zwangsarbeit im Raum Lehrte 1939‑1945" ein.  Der Informationsabend findet am Donnerstag, den 24. August im Landgasthaus Vileh in Aligse statt. Einlass ist ab 19.30 Uhr, Beginn 20 Uhr.

Das Dokumentationsprojekt war durch den Rat der Stadt Lehrte in 2022 einmütig beschlossen worden und wird mit 50.000 Euro bezuschusst. Das Antikriegshaus Sievershausen hat die Projektleitung übernommen und konnte für die wissen­schaftliche Aufarbeitung der NS-Zwangsarbeit den Historiker Dr. Arndt gewinnen.

Arndt wird in seinem Vortrag einen Zwischenstand seiner Arbeitsergebnisse berichten. Wie bereits zu erfahren war, ist Arndt im Niedersächsischen Landes­archiv Hannover auf bisher unbekannte Dokumente zum  Durchgangslager (Dulag) in Lehrte gestoßen. Danach wurden im Zeitraum August 1942 bis Dezember 1944 weit über 100.000 Männer, Frauen und Kinder meist aus Osteuropa mit Sonderzügen nach Lehrte verschleppt, um von hier auf ihre Zwangsarbeitsplätze verteilt zu werden.

SPD-Vorsitzender Bodo Wiechmann wirbt für eine rege Teilnahme an diesem öffentlichen Informationsabend: „Mit diesem Projekt geht es nicht nur um die historische Aufarbeitung, sondern auch um die dringend notwendige Weiter­ent­wicklung der Erinnerungs- und Gedenkkultur in Lehrte."

 

 

 

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Die vergessenen Zwangsarbeiter von Lehrte

Während des Zweiten Weltkriegs wurden Zehntausende Menschen in Lagern durchgeschleust. Ein Historiker will die dunkle Vergangenheit jetzt aufarbeiten.

Von Achim Gückel im Anzeiger Lehrte/Sehnde vom 24.06.2023

Lehrte. Das Verfahren ist grob, schikanös und entwürdigend. Menschenmassen werden aus den Güterwaggons getrieben, registriert, müssen sich entkleiden, werden am gesamten Körper geschoren, kommen in eine Anlage zur Entlausung. Danach leben sie oft nur wenige Tage in diesem sogenannten Dulag, also einem Durchgangslager, und warten auf den Beginn der nächsten Etappe ihrer qualvollen Odyssee in einem fremden Land. Und diese nächste Etappe bedeutet den Transport zu einem Ort, an dem die Menschen Zwangsarbeit entrichten müssen – an Bahnanlagen, bei Bauern, in kriegswichtigen Fabriken.

Rund 130.000 Menschen haben das beschriebene Szenario am Rand von Lehrte ertragen müssen. Während des Zweiten Weltkriegs, von 1942 bis zum Kriegsende 1945, existierte auf dem heutigen Gelände des Unternehmens Miele am Ostrand der Stadt das Dulag. In einem stetigen Strom, der erst Ende 1944 weitgehend zum Erliegen kam, wurden dort sogenannte Ostarbeiter aus den von Deutschland besetzten Gebieten herangeschafft. Bis zu 7000 (August 1943) waren es monatlich. Viele wurden aus Polen verschleppt, die meisten aus der Sowjetunion, einige aber auch aus Italien, Frankreich oder dem Baltikum.

Geradezu unfassbare Zahlen sind das, hält man sich vor Augen, dass die Eisenbahnerstadt Lehrte damals nicht einmal 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner zählte. „Es ging im Lehrter Dulag zu wie auf einem Sklavenmarkt, Menschen wurden nach ihrer Arbeitskraft selektiert und dann zur Zwangsarbeit weitertransportiert“, sagt Heiko Arndt, Historiker aus Hannover. Einige der Deportierten seien ins Reichsbahnlager Ida am Eisenbahnlängsweg in Lehrte geschickt worden, die meisten aber in andere Gebiete im Reich. Das Dulag am Rande Lehrtes sei das mit Abstand größte seiner Art in Nordwestdeutschland gewesen, sagt Arndt.

Der Wissenschaftler arbeitet seit einem halben Jahr an einem ehrgeizigen Projekt, das weit und breit einmalig ist. Arndt hat den Auftrag bekommen, die Geschichte der Zwangsarbeit im Raum Lehrte von 1939 bis 1945 zu erforschen. Das tut er nun akribisch und in enger Abstimmung mit Stadtarchivar Jens Mastnak sowie Elvin Hülser, Geschäftsführer des Antikriegshauses Sievershausen, das offiziell als Träger des Projekts auftritt.

Historiker findet Aufzeichnungen

Rund 70.000 Euro kostet das zweijährige Vorhaben, das der Rat der Stadt Lehrte im Frühjahr 2022 einstimmig auf den Weg gebracht hatte. 50.000 Euro fließen allein aus dem Stadtsäckel, weitere 15.000 Euro kommen von der evangelischen Landeskirche. Im Januar begann Arndts Arbeit offiziell. Er verbrachte seither viel Zeit in Archiven in Hannover und Lüneburg, hat die lokalen Zeitungen aus der Kriegszeit ausgewertet und nach Bildmaterial geforscht.

Dabei förderte Arndt die Basis für seine wissenschaftliche Arbeit zutage. Er fand akribische Aufzeichnungen des Dulag-Leiters Fiebig, der von der Einrichtung des Lehrter Lagers im August 1942 bis zu dessen Ende allmonatlich Zahlen über die durchgeschleusten Personen auflistete, Angaben dazu machte, wie viele Frauen, Männer und Kinder es waren und wie viele Zugtransporte ankamen. Die Zahlen summieren sich auf die besagten 120.000 bis 130.000.

Mittlerweile kann Arndt widerlegen, dass bis zu 700.000 Menschen durch das Lehrter Dulag geschleust wurden. Diese Zahlen basieren auf ungenauen Aufzeichnungen und wurden in Lehrte mitunter ungesichert verbreitet. So leistungsfähig habe das Lager auf dem Mielegelände nicht sein können, auch im Vergleich mit ähnlichen Einrichtungen in Soest oder Neumarkt in der Oberpfalz.

Trotzdem bleibt der Gedanke an die menschenverachtende Nazi-Einrichtung am Stadtrand bedrückend. Warum gab es ausgerechnet in Lehrte solch ein Dulag? „Lehrte hatte durch den Bahnknoten die Infrastruktur zur Verteilung der Menschen“, sagt Mastnak nüchtern. Die Eisenbahnerstadt war quasi ein Drehkreuz für die Bahn und somit auch für die aus ihrer Heimat verschleppten Menschen, die dazu gezwungen wurden, in Deutschland die Kriegswirtschaft am Laufen zu halten.

Das Reichsbahnlager Ida am Eisenbahnlängsweg, in dem Zwangsarbeitende für die Lehrter Bahnanlagen und den Verschiebebahnhof untergebracht waren, ist im Vergleich zum Dulag der kleinere Aspekt der wissenschaftlichen Aufarbeitung Arndts. Dort waren von 1942 bis zur Befreiung Lehrtes durch die Alliierten am 11. April 1945 in 16 Baracken bis zu 1200 Menschen gleichzeitig untergebracht. Die meisten kamen aus Russland und Polen. Erst Ende 2021 hatte Lehrtes Bürgermeister Frank Prüße (CDU) dort eine neue Stele zur Erinnerung enthüllt, die einen alten, verwitterten Gedenkstein ersetzte.

Im Lehrter Stadtarchiv findet sich indes nur wenig zum dunklen Dulag-Kapitel der Stadtgeschichte. Auch fotografisch ist dort nicht viel zu holen. Es gebe gerade mal zwei, drei Bilder vom Dulag, die teils sehr schlechte Qualität hätten, sagt Mastnak. Von Zwangsarbeitenden selbst sowie vom Lager Ida gibt es im Archiv kein einziges Foto aus der Kriegszeit, wohl aber aus jener nach dem Krieg.

Mastnak, Arndt und Hülser sind sehr glücklich darüber, dass Lehrtes Rat die historische Aufarbeitung in Auftrag gegeben hat. „Der einmütige politische Wille ist bemerkenswert“, meint Archivar Mastnak. Arndt geht sogar noch weiter. Die Aufarbeitung, die er bis Ende 2024 zu erledigen hat, sei „für einen Historiker wie mich wie ein Sechser im Lotto“, sagte er unlängst in einer Sitzung des Kulturausschusses. Ähnliche Projekte seien ihm nur aus der Wedemark und dem Landkreis Verden bekannt.

Am Ende soll dann eine Publikation über die Zwangsarbeit in Lehrte erscheinen. Solch eine Veröffentlichung werde sicher auch in Fachkreisen interessiert aufgenommen, meint Arndt. Für die Erstellung eines historisch fundierten Buches werde aber der Projektzeitraum von zwei Jahren nicht reichen. „Das Thema allumfassend zu beleuchten, wird kaum gehen“, sagt der promovierte Historiker. Dazu gebe auch die Quellenlage nicht genug her. Seiner Meinung nach könnte die historische Aufarbeitung auch Schulprojekte anregen. Arndts Arbeit könne auch „die NS-Zeit am eigenen Lebensort sichtbar machen“, wie er selbst sagt.


Quellenangabe: Lehrte/Sehnde vom 24.06.2023, Seite 1

 

 

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