AGDF: Licht und Schatten im Programm der Ampel-Koalition PDF lesen
Die Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF) sieht im Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP aus friedenspolitischer Sicht Licht und Schatten. In Bezug auf den gesellschaftlichen Frieden im Land, aber auch bei der internationalen Jugendarbeit sieht der Friedensverband gute Ansätze für die kommenden vier Jahre, auf deutliche Kritik stoßen dagegen die Aussagen zur Außen- und Sicherheitspolitik.
„Die neue Koalitionsregierung möchte in Deutschland den gesellschaftlichen Zusammenhalt und Demokratie fördern und sich nach außen für Frieden, Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Nachhaltigkeit einsetzen. Aus friedenspolitischer Sicht kann dies nach den Ausführungen im Koalitionsvertrag innenpolitisch gelingen, der außenpolitische Teil ist hingegen insgesamt enttäuschend", meint AGDF-Geschäftsführer Jan Gildemeister zum Koalitionsvertrag der künftigen Ampel-Regierung.
Und Gildemeister weiter: „Gesellschaftliche Konflikte, auch durch die Nennung von Zielkonflikten hinsichtlich der notwendigen ökologischen Transformation, Instrumente zu ihrer konstruktiven Bearbeitung und die Rolle der Zivilgesellschaft spielen in den innenpolitischen Teilen des Koalitionsvertrages eine erfreuliche Rolle. Es ist schade, dass Konfliktbearbeitung nicht auch so explizit benannt wird. In der Außenpolitik fehlt hingegen diese Perspektive weitgehend."
Ausdrücklich begrüßt wird von der AGDF, dass bis 2023 ein Demokratiefördergesetz in den Deutschen Bundestag eingebracht werden soll, ebenso auch, dass das Bundesprogramm „Demokratie leben!" weiterentwickelt und dauerhaft finanziell gesichert werden soll. Allerdings würde sich der Friedensverband auch wünschen, dass neben der Bekämpfung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit auch die positive Gestaltung des friedlichen Zusammenlebens durch kommunale Konfliktberatung stärker in den Blick genommen werde, so Gildemeister.
Unterstützt wird von der AGDF, dass die neue Koalition einer vielfältigen, toleranten und demokratischen Zivilgesellschaft eine große Bedeutung beimisst. Auch die Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechts wird vom Friedensverband begrüßt. „Unklare Regelungen im Gemeinnützigkeitsrecht bremsen bisher Organisationen aus, sich aktiv an dem politischen Diskurs zu beteiligen", erläutert der AGDF-Geschäftsführer.
Erfreulich sei zudem, dass die neue Regierung die europäische und internationale Jugendarbeit und den Internationalen Freiwilligendienst stärken will, betont der Friedensverband. „Es ist zu wünschen, dass der internationale Austausch bei den anderen jugendpolitischen Maßnahmen wie der geplanten Weiterentwicklung der Jugendstrategie der Bundesregierung oder dem nachfragegerechten Ausbau der Plätze in den Freiwilligendiensten berücksichtigt wird", macht Jan Gildemeister deutlich.
Auf deutliche Kritik stoßen bei der AGDF allerdings die Aussagen zur Außen- und Sicherheitspolitik. „Wir vermissen eine generelle Umorientierung: weg vom Ansatz der Bedrohungs- und Flüchtlingsabwehr und der militärischen Sicherung unseres Wohlstands, hin zu dem zivilen Ansatz menschlicher Sicherheit. Während Krisenprävention, zivile Konflikttransformation und Friedensförderung kaum eine Rolle spielen, nehmen die Ausführungen zur Bundeswehr viel Platz ein und sind teilweise sehr konkret", kritisiert der AGDF-Geschäftsführer.
Zu den Kritikpunkten gehören die Festlegungen im Koalitionsvertrag zu einer weiteren atomaren Abschreckung verbunden mit einer weiteren Aufrüstung. „Die geplanten vielfältigen Initiativen für eine abrüstungspolitische Offensive stehen dabei im Kontrast zur geplanten Aufrüstung der Bundeswehr und dem Bekenntnis zur atomaren Abschreckung", bedauert Jan Gildemeister. Immerhin sei die Absicht der künftigen Bundesregierung, dass Deutschland einen Beobachterstatus beim Atomwaffenverbotsvertrag einnehmen will, „erfreulich", so der AGDF-Geschäftsführer. Begrüßt wird vom Friedensverband auch das geplante Rüstungsexportkontrollgesetz.
Allerdings gebe es ein fundamentales Ungleichgewicht bei den außenpolitischen Instrumentarien. Der Krisenprävention würden nur wenige Sätze gewidmet: Aufgrund eines umfassenden Sicherheitsbegriffs sollen Krisenprävention und -management auf EU-Ebene gestärkt werden. Auf Basis der bestehenden Leitlinien soll Deutschlands Rolle bei der Entschärfung internationaler Krisen ausgebaut werden. Gildemeister: „Wie dies konkret geschehen soll, bleibt unklar, selbst das etablierte und anerkannte Instrument Ziviler Friedensdienst wird nicht erwähnt."
Im Gegensatz dazu stünden die Aussagen, wie die Bundeswehr leistungsfähiger gemacht werden solle, so durch die Anschaffung bewaffneter Drohnen. „Trotz immenser Bedenken auch bei SPD und Grünen", bedauert der AGDF-Geschäftsführer. Immerhin sei es ein Erfolg auch der Friedensbewegung, dass künftig keine Minderjährigen mehr in der Bundeswehr ausgebildet werden sollten. Dennoch bleibe festzustellen: „Die klare Bevorzugung des militärischen Engagements wird festgeschrieben", kritisiert Gildemeister. Und er ist sich sicher: „Die Koalitionsvereinbarung steckt den Rahmen für die Regierungsarbeit in den nächsten vier Jahren. Wichtig ist deren Ausgestaltung. Und in der Außen- und Sicherheitspolitik wird es dabei vor allem auf die designierte grüne Außenministerin ankommen."
Frieden braucht Ihr Engagement – was werden Sie dafür tun? Wahlprüfsteine für die Bundestagswahl 2021.
Frieden braucht Ihr Engagement – was werden Sie dafür tun? Diese Frage den Kandidaten und Kandidatinnen für die Bundestagswahl im September zu stellen und damit zu fundierten Wahlentscheidungen beizutragen, dazu sollen die Wahlprüfsteine 2021 anregen. Friedens- und entwicklungspolitische Organisationen, darunter kirchliche Hilfswerke und ökumenische Initiativen, haben gemeinsam friedenspolitische „Wahlprüfsteine“ erarbeitet. Diese umfassen einen Katalog mit konkreten Fragen, die Menschen gestellt werden können, die sich um ein Bundestagsmandat bewerben. Es geht in der nächsten Legislaturperiode darum, ob Deutschland immer mehr Mittel in militärische Optionen investiert oder stattdessen Instrumente stärkt, die zur Prävention von Gewalt und zu nicht-militärischen, gewaltfreien und nachhaltigen Wegen aus Konflikten beitragen. In ihren friedenspolitischen Entscheidungen müssen die Mitglieder des Deutschen Bundestages immer zugleich auch die Europäische Union in den Blick nehmen und darauf hinwirken, dass deren Potenziale für die Förderung von nachhaltigem Frieden weltweit gestärkt werden. So geht es in den Wahlprüfsteinen auch um Fragen der europäischen und globalen Sicherheits- und Verteidigungspolitik: von Rüstungsexportkontrolle bis zu Ziviler Konfliktbearbeitung, von nachhaltiger Entwicklung und Menschenrechten bis zu den Ursachen von Flucht, um Asyl und den menschenwürdigen Umgang mit Geflüchteten. Die Autorinnen und Autoren der Wahlprüfsteine engagieren sich in friedenspolitischen NGOs und Netzwerken, kirchlichen Hilfswerken und ökumenischen Initiativen, die wiederum gemeinsam eine Vielzahl von Einzelorganisationen und -personen und damit ein breites sicherheits- und friedenspolitisches Engagement mit jahrzehntelanger Erfahrung in Zivilem Friedensdienst, gewaltfreier Konflikttransformation, Menschenrechts- und Entwicklungszusammenarbeit repräsentieren.
Mit den Wahlprüfsteinen wollen sie möglichst viele Menschen dazu motivieren, diejenigen, die im September 2021 für den Bundestag kandidieren, nach ihren friedens- und sicherheitspolitischen Vorstellungen zu befragen. So können in den Wahlkreisen, Kommunen, Kirchengemeinden und Initiativen oder auch in virtuellen Foren qualifizierte friedens- und sicherheitspolitische Diskussionen vorbereitet und durchgeführt werden. Die Wahlprüfsteine werden herausgegeben von:
Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF)
Brot für die Welt
Bund für Soziale Verteidigung e. V.
Church and Peace – Europäisches Friedenskirchliches Netzwerk
Forum Ziviler Friedensdienst e. V. (forumZFD)
Ohne Rüstung Leben e. V.
pax christi – Deutsche Sektion
Plattform Zivile Konfliktbearbeitung
Initiative „Sicherheit neu denken“
Wahlprüfsteine Frieden braucht Ihr Engagement