AGDF: Dominanz des Militärischen einzuhegen ist vordringliche politische Aufgabe
Jochen Cornelius-Bundschuh in Mutlangen zum Gedenken an den Atombombenabwurf auf Hiroshima
Anlässlich des 80. Jahrestages des ersten Abwurfs einer Atombombe auf Hiroshima, aber auch vor dem Hintergrund des russischen Überfalls auf die Ukraine, hat der Vorsitzende der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF), Dr. Jochen Cornelius-Bundschuh, in Mutlangen betont, dass es die vordringliche politische Aufgabe sein müsse, die Dominanz des Militärischen einzuhegen.
„Dazu gehört eine klare Absage etwa an die Drohung mit und die Verwendung von Atomwaffen, an die Verwendung von Streubomben oder Landminen, eine eindeutig defensive Ausrichtung des Militärs, die Verpflichtung zur Einhaltung internationalen Rechts und die Verankerung des eigenen Handelns in internationalen Strukturen“, machte der frühere badische Landesbischof dabei deutlich. Vor allem gelte es, immer wieder andere als militärische Handlungsoptionen wie Diplomatie, humanitäre Hilfe, Entwicklungspolitik, vertrauensbildende Maßnahmen oder eine Zivile Konflikttransformation mit Ressourcen zu hinterlegen und ins Spiel zu bringen. „Nur so lassen sich Friedensperspektiven über den Krieg hinaus entwickeln“, unterstrich der AGDF-Vorsitzende.
Er habe gelernt, dass Frieden mehr sei als die Abwesenheit von Gewalt. Frieden sei die Frucht von Gerechtigkeit, Frieden umfasse das Recht auf ein freies Leben in Würde, Frieden brauche die Bewahrung der Mitwelt und Frieden brauche verlässliche Institutionen und rechtsstaatliche Verfahren, gab Jochen Cornelius-Bundschuh zu bedenken. „In Gottes Friedensbewegung kommen alle diese Dimensionen heilsam zusammen, aber in unserem Bemühen um Frieden geraten sie oft in Konflikt. Da heißt es: die Gerechtigkeit muss warten, weil sonst ein Bündnis zerbricht oder die Gewalt eskaliert. Da wird akzeptiert, dass die Schöpfung zerstört wird, um die Freiheit zu verteidigen“, beklagte der Alt-Bischof.
Er erinnerte in Mutlangen an die Überlebenden der Atomwaffenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki, die „Hibakusha“, deren Organisation 2024 den Friedensnobelpreis erhalten hat. „Die Hibakusha mahnen uns, nicht nach den großen Zahlen zu fragen, sondern die einzelnen Opfer zu sehen: Jedes verlorene Leben, jede verletzte oder traumatisierte Person hat eine einzigartige Würde, die sie mit Gott verbindet. Gott steht an der Seite der Opfer. Sie sind uns in besonderer Weise anvertraut: ihr Recht und ihre Würde, ihre körperliche und psychische Unversehrtheit haben wir ebenso zu verteidigen wie ihre Gewissensfreiheit und ihre Verantwortung“, machte Jochen Cornelius-Bundschuh deutlich. Diese Perspektive müsste in den aktuellen Debatten zur Sprache gebracht und es müsste verhindert werden, dass diese Menschen hinter Fragen der Sicherheitspolitik, der militärischen Stärke, der territoriale Integrität oder der Verteidigung bestimmter Werte verschwänden, fügte er hinzu.
„Heute, 80 Jahre später, angesichts des russischen Krieges gegen die Ukraine, des Auslaufens fast aller Rüstungskontrollabkommen, der Schwächung von UNO und OSZE gilt militärische Gewalt wieder als akzeptables Mittel der politischen Auseinandersetzung“, warnte der frühere badische Landesbischof. Und auch das „nukleare Tabu“ gerate unter Druck. Cornelius-Bundschuh: „Politisch dominiert gegenwärtig die Überzeugung: Je größer unser militärisches Droh- und Vernichtungspotential, umso sicherer sind wir.“
„Aber die nukleare Abschreckung ist ein riskanter Weg: Die Schlagkraft der Waffen wird immer größer; die Reaktionszeiten verkürzen sich immer weiter; die politische Verantwortung wird immer stärker an technische Systeme abgegeben. Zudem führt das Vertrauen auf eine Sicherheit durch nukleare Abschreckung bei den Atommächten dazu, dass Abrüstungsbemühungen und das Ringen um zivile Konfliktlösungen in den Hintergrund rücken. Die Starken verlassen sich auf ihre Stärke; sie drohen ihren Feinden mit dem nuklearen Gegenschlag und gewähren ihren Freunden Raum unter ihrem atomaren Schutzschirm, solange sie sich entsprechend verhalten“, kritisierte der AGDF-Vorsitzende in Mutlangen.
Die EKD-Friedensdenkschrift von 2007 halte dagegen ebenso wie die Schrift der Deutschen Bischofskonferenz „Friede diesem Haus“ von 2024 fest, dass aus christlicher Sicht nicht nur der Einsatz, sondern auch die Drohung mit Nuklearwaffen nicht mehr als Mittel legitimer Selbstverteidigung betrachtet werden kann, unterstrich Jochen Cornelius-Bundschuh. Auch wenn derzeit wenig politisch relevante Impulse in Richtung Rüstungskontrollverhandlungen und atomarer Abrüstung zu erkennen seien, müsse die Logik der nuklearen Abschreckung durch vertrauensbildende Initiativen und Plattformen für einen verlässlichen Austausch, durch Rüstungskontrolle und Maßnahmen der zivilen Konfliktbearbeitung begrenzt und eingehegt werden.
Der Name „Mutlangen“ stehe für eine realistische, hoffnungsvolle und mutige Friedensarbeit. „Sie haben mit ihrem Engagement gezeigt, wie gewaltfreier Widerstand gegen Massenvernichtungswaffen erfolgreich sein kann. Sie haben dadurch vielen Menschen Mut gemacht“, so der AGDF-Vorsitzende. Und darum sei Friedensarbeit so wichtig und nötig, denn sie wehre sich gegen die Aufteilung der Welt in Freund und Feind. „Stattdessen müssen wir mit Menschen, die anderer Meinung sind, über Frieden ins Gespräch kommen und sie ins Gespräch bringen.
„Ich erlebe derzeit, dass viele Menschen verstummen, wenn es um Fragen von Krieg und Frieden geht, auch in unseren kirchlichen Gruppen und Gremien. Sie haben Angst vor Konflikten und der großen emotionalen Betroffenheit, die sich mit den Auseinandersetzungen um den Krieg in der Ukraine oder auch in Gaza verbinden.
Genau hier liegt eine wichtige Aufgabe der Friedensarbeit: Das Gespräch gerade auch mit denen zu führen, die anderer Meinung sind. Zu zeigen: es ist möglich vor Ort so zivil über Wege zum Frieden zu streiten, wie wir es uns für zwischenstaatliche Konflikte erhoffen“, machte Jochen Cornelius-Bundschuh deutlich.
PDF: AGDF/PMAGDF_Mutlangen_80Jahre_Hiroshima.pdf