Die Jury des Antikriegshauses hat entschieden, dieses Jahr den Preis zu teilen. Geehrt werden sollen am 9. Dezember 2012 die Gemeinschaft „Brot & Rosen“ aus Hamburg und das Projekt „DiaMiPa“ (Diakonische Migrationsarbeit für Personen mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus) des Diakonischen Werkes Stadtverband Hannover.

Das Projekt DiaMiPa verfolgt ein umfassendes Konzept von Unterstützung, beginnend mit der Vermittlung medizinischer Hilfe, ohne dass die Hilfesuchenden den Behörden ausgeliefert werden, bis hin zur Beratung über ihre spezifischen Rechte und der eventuellen Klärung des Aufenthaltsstatus. Dabei werden die Hilfesuchenden persönlich betreut und begleitet. Es gibt bundesweit etliche Initiativen, die in dieser Art Hilfe leisten und Unterstützung verdienen. Angesichts etlicher gleichwertiger Bewerbungen hat die Jury sich entschieden, eine lokale Initiative auszuzeichnen.

Der zweite Preisträger, die Gemeinschaft „Brot & Rosen“, bietet Flüchtlingen in ihrer Gemeinschaft ein Zuhause auf Zeit, einen Schutzraum, wo einerseits konkrete Hilfe zu neuen Perspektiven angeboten wird, andererseits sie als Mitmenschen in die Gemeinschaft aufgenommen werden und mit den Mitgliedern dieser Gemeinschaft mit gleichen Rechten und Pflichten zusammenleben. Diese Art der helfenden Mitmenschlichkeit hat die Jury des Antikriegshauses sehr angesprochen, sodass beschlossen wurde, dieses Jahr zwei Initiativen zu ehren.

María Isabel GámezDie junge Radiojournalistin María Isabel Gámez arbeitet seit ihrem dreizehnten Lebensjahr für den Sender 'Radio Victoria' im Departement Cabañas in El Salvador. Sie war zuletzt Leiterin der Nachrichtenredaktion des Senders und Ausbilderin. Für ihren Sender hat sie über Umweltverbrechen im Bergbau, soziale Missstände, Menschenrechtsverletzungen und Korruption berichtet. In ihren Reportagen hat María Isabel Gámez Anti-Bergbau-Kampagnen des Umweltkomitees in der Region Santa Marta unterstützt und die Verurteilung der Verantwortlichen für die Ermordung der Umweltaktivisten Marcelo Rivera und Dora Re¬cinos gefordert. Im Dezember 2009 erhielt sie deshalb Todesdrohungen. Amnesty International, das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland und die deutsche Botschaft vor Ort haben sich aufgrund der akuten Gefährdungslage für eine vorübergehende Ausreise nach Deutschland eingesetzt. María Isabel Gámez ist seit kurzem Gast der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte.

Seit sie im Jahr 1997 ihre Arbeit bei dem Sender als Dreizehnjährige begann, hat sich María Isabel Gámez als Journalistin und Nachrichtensprecherin qualifiziert. Sie hat nie eine Schule durchgehend besuchen können, aber in großer Disziplin ihr Abitur im Fernstudium nach¬gemacht. Weil ihre Eltern während des Bürgerkriegs aus Salvador fliehen mussten, kam sie in einem Flüchtlingslager in Honduras zur Welt und lebte -  nach dem Friedensabkommen - gleich wieder jah¬relang in einem salvadorenischen Flüchtlingslager, da ihr Dorf erst wieder aufgebaut werden musste. Seit 2007 bildet sie selbst junge Menschen im Journalismus aus.

María Isabel Gámez will nach ihrem einjährigen Aufenthalt als Gast der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte in ihr Heimatland zurückkehren und eventuell ein Jurastudium in der Hauptstadt San Salvador aufnehmen. Dies auch als Reaktion auf die erlebten Menschenrechtsverletzungen und die rechtliche Willkür.

Die Dokumentationsstätte zu Kriegsgeschehen und über Friedensarbeit Sievershausen schreibt zum elften Mal den mit 5.000 Euro dotierten Friedenspreis Sievershäuser Ermutigung aus. Die Sievershäuser Ermutigung 2010 soll Einzelpersonen oder Initiativen verliehen werden, die unter schwierigen Rahmenbedingungen für Presse- und Meinungsfreiheit einstehen und sich durch einen unabhängigen, unbequemen und unbestechlichen Journalismus zu friedens- und menschenrechtspolitischen Themen auszeichnen.

Die Dokumentationsstätte zu Kriegsgeschehen und über Friedensarbeit Sievershausen hat sich bei der Wahl des Ausschreibungsthemas der Ermutigung 2010 von zwei Überzeugungen leiten lassen: Zum einen von der Überzeugung, dass Presse- und Meinungsfreiheit eine notwendige Voraussetzung für eine den friedlichere Welt sind. Ohne den freien Austausch von Fakten, Ideen und Meinungen ist Frieden nicht denkbar. Für die  Presse- und Meinungsfreiheit gerade auch unter schwierigen Bedingungen staatlicher oder nichtstaatlicher Repression einzustehen verdient deshalb hohen Respekt. Zum anderen braucht es nach Auffassung der Dokumentationsstätte zu Kriegsgeschehen und über Friedensarbeit Sievershausen angesichts der vielfältigen und zunehmend unübersichtlichen Weltlage einen unabhängigen, unbequemen und unbestechlichen Journalismus, um Licht in das Dunkel der zahlreichen Kriege und Konflikte, der massiven Menschenrechtsverletzungen, des Machtmissbrauchs, schreiender Ungerechtigkeiten oder Umweltverbrechen zu bringen, die einem nachhaltigen Frieden im Wege stehen.

Journalistische Arbeit, die sich dieser Themen verantwortungsvoll annimmt, unabhängig berichtet und dafür auch persönliche Risiken und Nachteile in Kauf nimmt, soll ausgezeichnet, unterstützt und durch den Preis ermutigt werden.

Vorschläge, Empfehlungen und Bewerbungen können in schriftlicher Form oder per E-Mail bis zum 1. Mai 2010 an die Dokumentationsstätte zu Kriegsgeschehen und über Friedensarbeit Sievershausen gerichtet werden. Diese sind formlos einzureichen, hilfreich sind jedoch nähere Angaben zur vorgeschlagenen Person oder Initiative (Zeitung/Redaktion o.ä.), Beispiele der journalistischen Arbeit und Berichte zum Umfeld.

Die Sievershäuser Ermutigung wird seit über 20 Jahren im zweijährigen Rhythmus für beispielhafte Friedens- und Menschenrechtsarbeit verliehen. Die Verleihung findet jeweils zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember statt.  Die Ausschreibung erfolgt zu wechselnden thematischen Schwerpunkten. So wurde im Jahr 2008 die Organisation MADAM aus Sierra Leone für ihre Arbeit zur Rehabilitation von ehemaligen Kindersoldaten ausgezeichnet. 2006 wurde die tschetschenische Menschenrechtlerin Taita Junusova für ihr Engagement für die Opfer des Tschetschenienkrieges und die Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen geehrt. Die Ermutigung soll die Preisträger in ihrer Arbeit ermutigen und unterstützen, aber auch darüber hinaus Mut machen, sich für die Ziele von Frieden und Menschenrechten zu engagieren, wie Rupert Neudeck in seiner Laudatio 2006 hervorhob.

Der Verein Dokumentationsstätte zu Kriegsgeschehen und über Friedensarbeit Sievershausen e.V. besteht seit 30 Jahren und betreibt in Sievershausen bei Hannover das Antikriegshaus als Veranstaltungs- und Ausstellungszentrum sowie die Antikriegswerksatt als Seminarhaus mit Übernachtungsmöglichkeiten. Das Antikriegshaus steht an historischem Ort am Rande des Schlachtfeldes der 'Schlacht von Sievershausen', die 1553 nicht nur Moritz von Sachsen, sondern 4.000 weiteren Soldaten das Leben kostete. Der Verein folgt einem umfassenden Verständnis von Friedensarbeit, das neben der Auseinandersetzung mit weltweiten Krisen und Konflikten auch Menschenrechtsthemen, ökologische Fragestellungen, Erinnerungsarbeit und Möglichkeiten gewaltfreier Konfliktbearbeitung im Nahbereich umfasst.

Johannes von DohnanyiIch habe einiges über Mittelamerika gelernt – eine Weltgegend, die ich in 25 Jahren als Auslandskorrespondent und Kriegs- und Krisenreporter sträflich vernachlässigt hatte. Und – ich hatte die Entwicklung einer jungen Frau und ihres Kindes erlebt, die sehr verwirrt, ja traumatisiert in Hamburg gelandet waren und die dann, einen kleinen Schritt nach dem anderen, ins Leben zurückfanden.

Es gibt Tage, die durch kleine oder größere Begebenheiten zu besonderen Tagen werden. Und einer davon war, vor etwa etwas mehr als einem halben Jahr, der Tag, an dem ich Isabel Gámez und ihren Sohn Jimmy kennen lernte. Zuerst nur mündlich –Martina Bäurle von der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte erzählte mir von ihrer neuen Stipendiatin. Dann trafen wir uns auch persönlich in Hamburg. Über den Sommer hinweg hatten wir immer wieder Gelegenheit zu reden. Ich hatte schließlich einiges über Mittelamerika gelernt – eine Weltgegend, die ich in 25 Jahren als Auslandskorrespondent und Kriegs- und Krisenreporter sträflich vernachlässigt hatte. Weiterlesen: Sievershäuser Ermutigung 2010: Laudatio J. v. Dohnanyi

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Antikriegshaus Sievershausen 
ist ein anerkannter Friedensort
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